Cannstatter Volksfest 1200 Betriebe wollten auf den Wasen – Die Macher hinter den Kulissen
Das Cannstatter Volksfest ist wie eine Stadt für sich. Doch wer entscheidet, welche Betriebe zugelassen werden? Welche Regeln gibt es? Und wer hat Einfluss?
Das Cannstatter Volksfest ist wie eine Stadt für sich. Doch wer entscheidet, welche Betriebe zugelassen werden? Welche Regeln gibt es? Und wer hat Einfluss?
Wer nicht genau hinschaut, wird das kleine Gebäude-Ensemble auf dem Wasen zwischen all den Buden womöglich gar nicht bemerken. Und doch entscheidet sich hier, zwischen Wasenwache der Polizei, Deutschem Rotem Kreuz und Geisterbahn, wie das Cannstatter Volksfest aussieht. Denn das zweitgrößte Volksfest der Welt ist auch bei Schaustellern und Händlern äußerst gefragt.
Drin besprechen Marcus Christen und Thomas Heibel auf einem Lageplan letzte Details. Im Hintergrund sind auf Monitoren verschiedene Kameraeinstellungen zu sehen. Nahezu der gesamte Festplatz ist von der Videoüberwachung abgedeckt. Anders als die Polizei „schauen wir hier aus Veranstaltersicht, etwa auf mögliche Überfüllungsszenarien“, sagt Christen. Chaotische Zustände wie unlängst auf dem Münchner Oktoberfest soll es hier nicht geben.
Christen ist bei der städtischen Veranstaltungsgesellschaft in.stuttgart der Abteilungsleiter für das Volksfest, Thomas Heibel der Projektleiter. Über die Schreibtische der beiden gehen alle wesentlichen Entscheidungen. Und das schon sehr früh. Bewerbungsschluss für das Volksfest ist jeweils am 15. Oktober des Vorjahres. Nebenher werden noch Frühlingsfest, Weihnachtsmarkt oder Konzerte auf dem Wasen organisiert.
In diesem Jahr haben sich 1200 Betriebe fürs Volksfest beworben. Gut 300 stehen jetzt auf dem Gelände. „Alle müssen sich jedes Jahr neu bewerben“, sagt Christen. Erbhöfe gibt es nicht. Eine Ausnahme bilden nur die großen Festzelte, die über mehrjährige Verträge verfügen. „Wir entscheiden nicht nach Gutdünken, sondern nach klaren Spielregeln der Stadt“, so Heibel.
Im Zentrum aller Überlegungen steht die Attraktivität des Fests. „Wer einen besonders schönen Betrieb hat, bekommt bevorzugt einen Platz“, sagt Heibel. „Anders als bei manchen anderen Festen in Deutschland lassen wir auch nicht nur einheimische Betriebe zu. Dann hätten wir zu wenig Vielfalt“, so Christen. Denn auch die spielt eine große Rolle. Wer abgelehnt wird, bekommt eine ausführliche Begründung und Anregungen, was er besser machen könnte. Alles muss rechtssicher sein, denn gelegentlich wird auch gegen eine Nichtberücksichtigung geklagt.
Anders als kleinere Feste mit kleineren Beschickern, die oftmals die hohen Auflagen nicht mehr stemmen können, erfreuen sich die großen Feste nach wie vor einer hohen Beliebtheit. „Wir können aus einem großen bunten Topf unsere Auswahl treffen“, freut sich Heibel. Wenn die steht, geht es an die genaue Planung des Geländes. Zuerst werden die Standorte der größeren Geschäfte festgelegt, um sie herum die kleineren platziert. „Das ist wie ein Tetris-Spiel“, sagt Heibel und lacht.
Von Veränderungen bleibt aber auch der Wasen nicht verschont. Ponyreitbahnen zum Beispiel gibt es kaum noch, weil viele Betriebe wegen der Attacken von Tierschützern aufgegeben haben. Auch die Zahl der Anbieter von Großbetrieben ist rückläufig, weil die jüngere Schaustellergeneration dieses Risiko eher meidet und stattdessen auf Imbisse setzt. „Dabei sind die großen Geschäfte diejenigen, die das Publikum magisch anziehen“, sagt Heibel.
Das letzte Wort bei allen größeren Entscheidungen hat allerdings Thomas Fuhrmann. Der Finanzbürgermeister der Stadt ist Aufsichtsratsvorsitzender der in.stuttgart und als solcher auch der Wasenbürgermeister. Oberbürgermeister Frank Nopper ist lediglich für den Fassanstich und die Eröffnung des Volksfests zuständig.
„Das eigentliche Gesicht des Festes prägen jedoch die Wirte, Schausteller und Händler, die mit großem Einsatz für Stimmung und reibungslose Abläufe sorgen“, sagt Wasenbürgermeister Fuhrmann. Manche von ihnen sind seit Generationen auf dem Wasen und betreiben mehrere Geschäfte. Ihr Wort hat Gewicht, genauso wie das der Festwirte. Der Cannstatter Volksfestverein wiederum bewahre die Traditionen – von der Fruchtsäule bis zum Umzug – und halte den Ursprung des Festes als Erntedank lebendig.
Einen wachsenden Einfluss auf das Fest hat aber auch ein Teil davon, den es erst seit ein paar Jahren gibt: das Albdorf mit seinem Macher Karl Göbel. Es soll die regionale Verwurzelung des Volksfests in den Vordergrund rücken. „Natürlich sind hier alle Beschicker gleich. Wir sind inzwischen mit dem Albdorf aber so gewachsen, dass wir eine gewisse Bedeutung haben“, sagt Göbel. Gemeinsam mit der in.stuttgart und der Landesregierung wolle man die „Natürlich von daheim“-Kampagne zu etwas Großem machen. Man biete nur regionale Produkte an und habe es geschafft, damit bundesweit Aufmerksamkeit zu erregen.
Doch auch in einem anderen Punkt hält Göbel das Albdorf für äußerst wichtig. „Wir erschließen eine neue Zielgruppe und bringen Leute auf den Wasen, die sonst nicht kommen würden“, sagt er. Zwar werde im Albdorf auch gefeiert, man sei aber auch ein Rückzugsort, an dem man sich normal unterhalten könne. „Wir wollen keine Reservierungen und keinen Mindestverzehr“, so Göbel. Um die Vielfalt im eigenen Kosmos des Cannstatter Volksfests zu wahren.