Es ist wieder Volksfest-Zeit. Auf dem Wasen und in der Innenstadt. Klar, dass der Wasenhocker wieder mit dabei ist. Heute geht es um Rechenspiele: Warum gab es in 200 Jahren nur 173 Volksfeste? Und um einen Kuss im Boxauto.

Stuttgart - So etwas hat es noch nie gegeben. Das Volksfest kommt nach Stuttgart. Was noch erstaunlicher ist: Die Cannstatter freuen sich darüber und drohen nicht mit der Abspaltung. 200 Jahre Cannstatter Volksfest feiern wir, samt Rummel in der Innenstadt, da muss auch der WASENHOCKER mal neue Gefilde erkunden und sich aufmachen gen Stuttgart.

 

200-Jahr-Jubiläum, aber erst das 173. Volksfest. Warum?

Unsere Leser treibt das Jubiläum schon um. Etliche haben den WASENHOCKER um Rat gefragt, weil sie die Zahlenspiele verwirren. 1818 gründete König Wilhelm I. das „Landwirthschaftliche Fest zu Kannstadt“. Vor 200 Jahren also. So weit, so gut. Aber warum wird erst das 173. Volksfest gefeiert? Das liegt zum einen daran, dass in Kriegs- und Notzeiten das Fest ausfiel. Also während des Ersten und Zweiten Weltkriegs, aber auch während des Deutsch-Französischen Kriegs 1870 oder einer Überflutung des Wasens 1851. Und dann war König Karl, Sohn und Nachfolger von Wilhelm I., ganz anders als sein Vater. Freidenkender, kunstsinniger und viel weniger handfest. Seine Liebe zum Bauernstand und zum Volksfest hielt sich in Grenzen, er verfügte, dass das Fest von 1882 an nicht mehr alljährlich, sondern nur noch alle 2 Jahre veranstaltet wurde. Dies blieb so, bis Karl 1891 starb.

In 28 Jahren gab es also kein Volksfest. Verworrener noch ist die Sache mit dem Landwirtschaftlichen Hauptfest (LWH). Zu Beginn war es ja identisch mit dem Volksfest, fand jedes Jahr statt. Dann veranstaltete man die Agrarmesse alle zwei Jahre, später alle vier Jahre, dann wieder alle zwei Jahre. Seit einiger Zeit ist man wieder beim Vier-Jahres-Takt angelangt. So wild sich das anhört, offenbar steckte ein Plan dahinter: Unsere Vorfahren erwiesen sich als wahre Rechenkünstler und haben uns so die 100. Auflage des LWH justament im Jahr des 200. Geburtstags beschert.

Der ewige Kuss

Gestaunt hat der Wasenhocker wie viele Menschen bereits am Mittwoch über den Schlossplatz schlenderten. Emilie Mayer (78) beließ es nicht dabei, sie lenkte ein Boxauto. Sie verriet dem WASENHOCKER, dass sie das in Erinnerung an ihren verstorbenen Mann tat. „In so einem Boxauto haben wir uns das erste Mal geküsst, diesen Moment werde ich niemals vergessen“, sagte sie dem Wasenhocker. Der ein kleines Tränchen verdrücken musste. Und an die Inschrift auf der Grabkapelle auf dem Wirtemberg denken musste. Für seine früh gestorbene Königin Katharina ließ Wilhelm dort übers Portal meißeln: Die Liebe höret nimmer auf.