Zeigt das große Interesse am Partymachen von queeren Menschen, dass diese in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind und nicht mehr am Rand stehen? Schon bei der CSD-Parade Ende Juli in Stuttgart war die Beteiligung von Parteien, Firmen und Organisationen im Zeichen des Regenbogens so groß wie nie zuvor. Dies setzt sich nun beim Cannstatter Volksfest fort.
Bisher gab es mit Gaydelight im Wasenwirt-Zelt (diesmal am 5. Oktober) nur eine Veranstaltung für die Rainbow-Gemeinde. In diesem Jahr kommen zwei weitere Partys der Konkurrenz dazu: am 24. September bitten die neuen Münchner Wirte des Fürstenberg-Zelts zum Pink Sunday in Zusammenarbeit mit dem Stuttgarter Fame-Veranstalter Felix Horsch. Und am 3. Oktober heißt es bei Klaus & Klaus „Wasen Gay goes Wild“ in der Ta Os Lodge. Die neue Konkurrenz sorgt in der Community für Unruhe – für hitzige Debatten über Kommerz.
Obendrein hat OB Frank Nopper (CDU) als Stargast zur Eröffnung des Volksfestes in der Schwabenwelt den schwulen Modedesigner Harald Glööckler eingeladen. Dass der Rathauschef ihn ins Goldene Buch der Stadt eintragen lässt, wie zu hören war, stimmt allerdings nicht.
Die Aktivistin Laura Halding-Hoppenheit, die sich seit über vier Jahrzehnten für gleiche Rechte von queeren Menschen einsetzt, erinnert an die Zeit, als der ehemalige städtische Eigenbetrieb Versorgungsmärkte und Marktveranstaltungen (VMS) dem Festwirt Max-Rudi Weeber kurzfristig untersagte, für die neue Veranstaltung Gaydelight offen als „Schwulenparty“ zu werben. Theo von Pagliarucci, der den heutigen Wasenknaller vor 28 Jahren erfunden hat, musste sich auf Mund-zu-Mund-Propaganda verlassen, als sei es verboten, was er da plante.
Die Münchner Wiesn ist das Vorbild von Gaydelight
Mit neidvollem Blick hatte er nach München geschaut, wo auf dem Oktoberfest schon viel länger Gaysunday gefeiert worden ist. „So etwas wollte ich auch nach Stuttgart holen, aber das wurde gleich mal abgeblockt“, erinnert sich der Veranstalter. Beim Gaydelight, der unter anderem vom Stuttgarter CSD unterstützt wird, will Stadträtin Halding-Hoppenheit in ihrer Rede auf der Bühne sagen, dass es ihr missfalle, wenn Festwirte nun versuchten, mit der Feierfreude von queeren Menschen Geld zu machen. „Es ist nicht gut, wenn man für eine Gayparty 70 Euro verlangt“, sagt sie. Vielmehr komme es darauf, was man für die queere Community tue und für deren Rechte.
Felix Horsch, der seit 15 Jahren Gaypartys unter dem Titel Fame vor allem für junge Männer veranstaltet und erstmals den Pink Sunday im Fürstenberg-Zelt ausrichtet, widerspricht. Sein Geld verdiene er mit seinem Hauptberuf als Schuhunternehmer. Aber jede Veranstaltung auf dem Wasen sei mit einem wirtschaftlichen Interesse verbunden. Dies könne man keinen vorwerfen. Tatsächlich hätten ihn gleich zwei Wasenwirtinnen und ein Wasenwirt angesprochen, um ihn für eine queere Feier beim Volksfest zu gewinnen. Das Interesse sei sehr groß. Am Ende habe er sich für die neuen Wirte des Fürstenberg-Zelts entschieden, weil er die bereits aus München kenne und deren Wunsch ihm eingeleuchtet habe, dass sie beim Start in Bad Cannstatt für alle Besuchergruppen etwas bieten wollten, für die ganze Vielfalt von Stuttgart.
Beim Pink Sunday ist das Publikum jünger
Aller Anfang ist schwer. 1500 Karten hat Horsch bisher für den Pink Sunday verkauft – etwa dreimal so viele Besucher würden reinpassen. Bei ihm tritt unter anderem die Stuttgarter Dragqueen Vava Vilde auf, die in der Neuinszenierung von „Rusalka“ in der Oper gespielt hat. Auch ohne Reservierung kann man am 24. September den Pink Sunday besuchen, der um 13 Uhr beginnt. „Bei uns ist das Publikum jünger als beim Gaydelight“, sagt Horsch. Den Termin am Sonntagmittag habe man gewählt, weil auch in Münchner auf der Wiesn die erfolgreichste Gayparty seit vielen Jahr immer genau zu dieser Zeit stattfinde.
Der Mister Gay Germany im Zelt von Klaus & Klaus
Martina Böhringer-Zinser, Veranstalterin von Gay Goes Wild am 3. Oktober in der Ta Os Lodge bei Klaus & Klaus, erwartet bei ihrer Party Maurice Schmitz, den amtierenden Mister Gay Germany, sowie mehrere Gay-Influencer und Schauspieler. DJ Anrey legt auf, ehe er nach Dubai umzieht.
Gaydelight-Erfinder Theo von Pagliarucci freut sich, dass er für den 5. Oktober beim Wasenwirt bereits 4000 Karten verkauft hat. Damit liege die Auslastung bereits bei 75 Prozent, was bei der Veranstaltung knapp zwei Wochen vor der Feier normal sei. Es gibt also Karten. Als Gäste erwartet er die Singer- und Songwriterin Selda Zenker und Alex Schäfer, den Prince Charming von 2020. Am Streit um die Gaypartys will er sich nicht beteiligen. „Ich wünsche den Mitbewerbern Erfolg und ein friedliches Volksfest“, sagt er.