Helene Fischer klingt wie eine Kettensäge. Und nicht mehr wie ein Presslufthammer. Das Cannstatter Volksfest in Stuttgart ist leiser geworden. Das ergaben Lärmmessungen während des Rummels im Vorjahr. Der hartnäckige Kampf der Nachbarn um ihr Recht auf Ruhe hat Erfolg.
Stuttgart - Den Tontechnikern war’s zu lasch. „Das rote Pferd“ und „Atemlos“ mit 90 Dezibel ins Zelt zu blasen sei witzlos, befanden sie. Ist ja auch nur so laut wie eine Kettensäge. Also drehten sie auf. Und fanden nichts dabei, dass sie zuvor eine Plombe knacken mussten, um den Limiter außer Kraft zu setzen. Der soll dafür sorgen, dass es nicht zu laut wird. An einem Mikro einen Meter über dem Zeltdach dürfen nicht mehr als 80 Dezibel ankommen. Eine lässliche Sünde? Von wegen. Das Ingenieurbüro Heine + Jud misst im Auftrag der Stadt die Lautstärke beim Volksfest, der Krach fiel auf, der Festwirt bekam eine Abmahnung.
Die hagelte es auch für etliche Fahrgeschäfte. Auch sie müssen Grenzwerte einhalten. In der Straßenmitte dürfen nicht mehr als 80 Dezibel ankommen. Das entspricht dem Rumpeln und Röhren eines Lasters. Vor allem am letzten Samstag glaubten einige, Krach machen zu dürfen. Auch sie erhielten eine Abmahnung. Bei ihnen werden die Ingenieure wie an allen Festzelten die Tonanlagen einstellen und mit einem Limiter versehen, der die Lautstärke begrenzt.
Sollte jemand das Siegel knacken, aufdrehen und wiederholt zu laut Musik spielen oder Fahrgäste anlocken, braucht er sich nicht mehr zu bewerben. „Bei wiederholten Verstößen werden wir Betriebe nicht mehr zulassen“, sagt Marcus Christen, Abteilungsleiter bei der Veranstalterin des Volksfests, in.Stuttgart, einer städtischen Tochter.
Die Anwohner kämpfen mit dem Lärm
„Es geht nur mit Zwang“, sagt Thomas Heine vom gleichnamigen Ingenieurbüro. Seit fünf Jahren messen er und seine Kollegen den Lärm beim Volksfest. Die Stadt hatte sie in Marsch geschickt, getrieben von der Sorge, man könne auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs keine Wohnungen bauen, weil es dort zu laut sei und die Neubürger klagen könnten. Noch wohnt dort keiner.
Aber am Veielbrunnenweg wohnen Menschen. Die kämpfen seit je mit den Folgen des Volksfests, dem Lärm und den Besuchern, die dort wild parken und auf dem Heimweg allerlei Körperflüssigkeiten hinterlassen. Und sie waren der Meinung, die Stadt könne sich ebenso engagiert für ihre Belange einsetzen wie für die Belange der künftigen Nachbarn. Der Druck nahm zu. Und die Stadt zog die Daumenschrauben an.
Offenbar fruchtet dies nun. „Die Vorgaben wurden eingehalten“, sagt Thomas Heine, „wir liegen fünf Dezibel unter den Werten von 2011: Das war das Ziel.“ Weil die tiefen Töne kein Problem darstellten, erlaubte man den Festwirten sogar, mehr Bass zuzugeben. Erstmals hat man 2015 auch regelmäßig am Stadtarchiv gemessen, also im Quartier am Veielbrunnen. Dort kamen samstags um die 50 Dezibel an, in der Spitze bis 58 Dezibel. Das entspricht einem lauten Gespräch. Regine Herdecker von der Initiative Am Veielbrunnen sagt: „Unsere Eindrücke bestätigen dies. Es ist merklich ruhiger geworden.“ Regelmäßig trifft man sich mittlerweile mit der Verwaltung, um die Probleme zu besprechen und auszuräumen. So postierte die Stadt im Vorjahr Ordner, um Parksuchende vom Quartier fernzuhalten. Herdecker: „Die Maßnahmen gehen in die richtige Richtung.“
An der Feuerwache messen die Ingenieure auch. Dort kommen samstags 75 Dezibel an. Immer noch zu viel, um nebenan bauen zu können.Helene Fischer viel zu laut, das ist nicht nur „Atemlos“ – sondern gnadenlos.