So stolz war man beim Wasenrummel auf diese Einrichtung. Als „in Deutschland“ einzigartig, feierte die Veranstalterin die Heimweghilfe. Nun steht sie vor dem Aus. Aber warum?

Stuttgart - Ein Herz hat er bekommen. Ganz aus Lebkuchen. Dazu ein Luftbild vom Wasen. Und die Verantwortlichen der Volksfest-Veranstalterin in.Stuttgart spendierten zudem viele warme Worte. Zweieinhalb Jahre ist das her. Da feierte die Heimweghilfe ihren 50. Geburtstag. Dieses Jahr ist alles anders: Statt eines Herzens gibt es einen Verweis. in.Stuttgart hat der Heimweghilfe gesagt, man brauche sie nicht. Ausgerechnet in dem Jahr, in dem man mit viel Tamtam den 200. Geburtstag des Volksfests und das 100. Landwirtschaftliche Hauptfest feiert. Das ist für Chef Peter Erb und seine 40 ehrenamtlichen Helfer schwer verdaulich.

 

Seine Mitstreiter und er haben 10 330 Zecher vom Volksfest in deren eigenen Autos nach Hause gefahren. Peter Erb (81) hat das ausgerechnet, und der ehemalige Mitarbeiter im Rechnungswesen von Mahle kennt sich aus mit Zahlen – und der bundesweit einmaligen Heimweghilfe. Ist er doch seit der Gründung 1965 dabei.

Früher galt eine Promillegrenze von 1,5

Früher war bei weitem nicht alles besser, wer sich damals auf die Straße begab, lebte gefährlich. 1964 gab es 16 400 Verkehrstote. Zum Vergleich: 2016 starben 3214 Menschen. Fahruntüchtig galt damals nur der, der mehr als 1,5 Promille intus hatte. Viele dieser besoffenen Autofahrer landeten vor Verkehrsrichter Klaus Mickschick. Der sann auf Abhilfe und gründete mit Rolf Moll vom Motorsportclub Stuttgart und Wolfgang Zahn vom Württembergischen Automobilclub das Konzept der Heimweghilfe. Man fuhr die Menschen vom Wasen nach Hause, dafür spendierten sie die Heimfahrt des Chauffeurs mit dem Taxi.

Peter Erb fuhr damals Rallye, war Mitglied im Motorsportclub, und machte als Fahrer mit. Etwa 200 Fahrten seien es im ersten Jahr gewesen. Zwischenzeitlich waren es 411 im Jahre 1979, mittlerweile pendelt es sich bei knapp 300 Fahrten ein. Die knapp 40 Fahrer aus dem Team bekommen 27 Euro am Tag, plus Kaffee und Cola fürs Wachbleiben.

Was sich früher und heute nicht geändert hat, ist die Wirkung von Alkohol aufs Gedächtnis. „Es kommt schon mal vor, dass der Fahrer sein Auto nicht mehr findet“, sagt Erb, „wir hatten sogar mal einen Kunden, der wollte sich heimfahren lassen und wir haben ewig gesucht, bis ihm einfiel, er hatte gar kein Auto dabei.“ Apropos Pannen. Unfälle habe es bisher nur zwei gegeben, erinnert sich Erb. Unverschuldet zwar, doch das Blech war verbeult. Da sprang die Versicherung bei. „Natürlich sind bei uns die Fahrer und die Autos versichert.“

Das Budget der Heimweghilfe beträgt 10 000 Euro

Das kostet Geld. 10 000 Euro braucht die Heimweghilfe im Jahr. Spenden decken einen Teil, die Brauereien steuern 5500 Euro bei. 3000 Euro kommen von in.Stuttgart, den Beitrag hat man erst letztes Jahr um 500 Euro erhöht. Damals habe man ihm schon bekundet, es könne sein, die Heimweghilfe müsse dieses Jahr pausieren, sagt Peter Erb. Gehört habe er lange nichts, dann flatterte dieser Tage ein Schreiben ins Haus. Da man keinerlei Parkplätze für Besucher zur Verfügung stellen könne, mache es „keinen Sinn, wenn wir die Heimweghilfe beim kommenden Volksfest anbieten“.

Natürlich sieht Erb, dass es wegen des alle vier Jahre stattfindenen Landwirtschaftlichen Hauptfestes und der Baustelle auf dem Güterbahnhofareal kaum Parkplätze gebe. Erst einmal 2006, im Jahr der Fußball-WM habe die Heimweghilfe pausiert, aber „sonst waren wir auch in den Jahren mit Hauptfest auf dem Wasen – und gefragt“. Er vermutet, das die Lage bei in.Stuttgart finanziell angespannt sei, schließlich richte man neben dem Volksfest auf dem Wasen (28. September bis 14. Oktober) auch das Historische Volksfest (26. September bis 3. Oktober) aus.

in.Stuttgart will keine Autofahrer anlocken

Dass in.Stuttgart die Heimweghilfe streiche, weil man 3000 Euro sparen wolle, verneint die Veranstaltungsgesellschaft. Dies habe einzig und allein mit den Parkplätzen zu tun. Der Wegfall des Güterbahnhofsgeländes verschärfe das Problem, sagt Sprecher Jörg Klopfer: „Wir haben keine Parkplätze. Wir können die Leute nicht auffordern, den Nahverkehr zu nutzen und gleichzeitig die Heimweghilfe anbieten.“ Das würde signalisieren: Man kann doch mit dem Auto kommen.

„Wir hätten weniger Fahrten gehabt“, sagt Erb, „aber selbst wenn es nur 100 sind, lohnt sich das doch.“ Und gesteht: „Je näher das Volksfest rückt, desto frustrierender wird es.“ Dem Wasen wird er dieses Jahr nur auf seinem Luftbild näherkommen. Dem Geschenk von in.Stuttgart. Als man ihn noch brauchte.