Wo sind die Pailletten und Perlen hin? Schlicht ist der neue Dirndl-Trend. Das ist alles andere als öde, auch wenn bei der aktuellen Kollektion wieder alte deutsche Vornamen vorkommen.

Stuttgart - Jahrelang sind die Dirndl immer aufwendiger geworden. Zuletzt haben lauter funkelnde Prinzessinnen auf den Bänken geschunkelt. Aber jetzt kommt die Rolle rückwärts. Was sich schon im Vorjahr angedeutet hat, ist bei den aktuellen Kollektionen nicht mehr zu übersehen: kräftige Farben statt zarter Pastelltöne, Trachten-Elemente statt Rüschen und „Chichi“.

 

Der Münchener Trachtenhersteller Angermaier, der in der Eberhardstraße seine Stuttgarter Filiale hat, räumt offen ein: „Das Dirndl wie wir es heute kennen ist eher ein städtisches Modephänomen.“ Mit dem ursprünglichen „Dirndlgwand“, das auch ein Standes-Kennzeichen war, hätten die Nachfahren wenig zu tun. Interessant ist dennoch: In der aktuellen Kollektion kommen wieder alte deutsche Vornamen vor wie „Anette“ oder „Traudi“. Sie stehen für die „strenge“ Dirndl-Version in gedeckten Farben.

Schlichte Dirndln

In München sei der klassische Stil schon länger auf dem Vormarsch als in Stuttgart, sagt Nina Munz, die Tochter des Angermaier-Inhabers Axel Munz. Sie sieht seine Wurzeln in der generellen Rückbesinnung auf Altbewährtes: „Das Heimatgefühl wird groß geschrieben.“ In die Kollektion 2019 seien viele traditionelle Trachtenelemente eingeflossen – allerdings modern interpretiert. Das bedeute zum Beispiel: Das Dirndl ist hochgeschlossen aber „slim line“. Der Stretchanteil im Samt mache figurbetonte Schnitte möglich, „ohne dass es spannt“.

Schlicht heiße aber nicht altbacken, betont Nina Munz. Im Gegenteil: Die schlichten Dirndl zeigten sich detailverliebt, sagt sie, und zählt auf: Schößchen, Borten und schöne Knöpfe am Mieder, Schmuckschließen am Rock, feine Spitze für die Bluse. Als Gegentrend zur Opulenz der Vorjahre will Nina Munz die Modelle nicht sehen: „Die glamourösen Dirndl für den großen Auftritt gibt es weiterhin.“

Kollektion so klassisch wie möglich

Das bestätigt ein Blick in den Onlineshop des Trachtenherstellers Krüger aus Wernau. Hier findet man junge Modelle mit viel pling-pling, aber auch die Linie „by Leonie Hanne“. Die Dirndl, die die Influencerin auf den Fotos sehr lässig präsentiert, erinnern etwa mit der Blumenstickerei auf dem Mieder und der dünnen Samtschleife am Stehkragen an rustikale Tracht. Sie wirken aber doch ganz modern. Das gilt auf für die neu aufgelegte „Classic Collection“, einfarbige Kleider mit schlichten Blusen, kombiniert mit ausgefallenen Schuhen, die als Outfit eigentlich auch stadttauglich sind.

„Die heutigen Frauen sind immer auf der Suche nach Abwechslung. Sie haben bereits opulentere Dirndl im Schrank. Daher ist es jetzt wieder an der Zeit auf die traditionellen, schlichteren Designs zurück zu greifen“, so erklärt der Krüger-Geschäftsführer Dominik Hesse den Hintergrund der neuen Linie. Hier wolle man Tradition mit „Fashion“ vereinen und dennoch die Kollektion so klassisch wie möglich halten. Er geht davon aus, dass Krüger damit verstärkt Frauen anspricht, die „sehr modebewusst dem aktuellen Trend folgen wollen“.

Outfits werden urbaner

Das Modelabel Riani aus Schorndorf hat für sein Dirndl der Saison ein kräftiges Dunkelblau gewählt: für den Punktrock ebenso wie für das Samtmieder, unter dem eine Spitzenbluse mit Stehkragen getragen wird. Für das Fotoshooting unter freiem Himmel hat Riani Mutter und Tochter engagiert: die Mode-Bloggerinnen Angelika und Clarissa Hanel aus Frankfurt am Main, die das alterslose Outfit mit hohen Stiefeln und einer modernen Ledertasche sehr cool vorstellen.

Tatsächlich nennt Mona Buckenmaier, die Tochter des Riani-Gründers Jürgen Buckenmaier „Cool Classic“ als das Schlüsselwort der aktuellen Mode, was sich auch in der Tracht wiederfinden lasse. „Die Outfits werden allgemein etwas urbaner und cleaner“, erklärt sie das durchaus stadttaugliche Modell für Wiesn und Wasen 2019. Der Look sei „sophisticated“ also „anspruchsvoll“: Die Frau, die solche Kleider trage, sei kompromisslos bei der Auswahl ihrer Kleider. „Sie kennt ihren Stil und stellt souverän Looks zusammen, die zu ihrem facettenreichen Alltag zwischen Karriere und Privatleben passen – „elegant, cool und einzigartig“.