Nach 50 Jahren ist Wulle wieder zurück beim Volksfest. Zumindest als Marke. Einstmals war Wulle eine eigene Brauerei, mit großer Geschichte und Zelt auf dem Wasen.

Die Rückkehr von Wulle brauchte viel Geschmackssinn und Durchhaltevermögen. Bier trinken, viel Bier trinken, stand am Anfang. Es gab die Marke, die Idee, aufs Volksfest zu kommen – aber es gab kein Bier. 2008 hatte die Brauerei Dinkelacker den einstigen Konkurrenten Wulle wieder aufleben lassen, als Getränk für die Bars, die Clubs, die Szene. Ein Helles, aber kein Bier für den Maßkrug, das Volksfest.

 

Also setzte man sich bei der Brauerei zusammen und probierte sich durch die Biere der Konkurrenz. Und filterte heraus, was gebraut werden solle. Vor allem Festwirt Karl Maier hatte genaue Vorstellungen. Er ist ja ein reisender Festwirt, und oft verkauft er das lokale Bier. In Göppingen beim Maientag schenkt er das Maientagsbier der Kaiserbrauerei aus. So „bernsteinfarben“ sollte es werden, sich „abheben“ von den Mitbewerbern Hofbräu, Dinkelacker, Schwabenbräu und Fürstenberg.

Groß schluckt Klein

Mehr vom Gleichen. Das braucht es nicht. Was ja ohnehin schwer genug ist, weil Dinkelacker, Schwabenbräu und Wulle zum gleichen Haus gehören. Die Geschichte der Brauereien in dieser Stadt ist immer auch die Geschichte: Großer schluckt Kleinen. In Julius Hartmanns Stadtchronik findet sich 1800 der Eintrag: „In der Stadt gibt es drei Privatbrauereien. Diese vermehren sich lange nicht, weil das Bier nur von Soldaten und Handwerksgesellen getrunken wird, die ehrbaren Bürger aber den Besuch des Bierhauses scheuen.“ Die Schwaben tranken lieber ihren Wein und ihren Most.

Ohne Wulle kein Varieté

Hofbräu entstand 1923, darin gingen auf die Tivoli-Brauereigesellschaft, die Württemberg-Hohenzollersche Brauereigesellschaft sowie die Aktienbrauerei Rettenmayer. Robert Leicht gründete Schwabenbräu 1878. Carl Dinkelacker begann das Brauen an der Tübinger Straße 1888. Ernst Wulle hatte 1859 die Grundstücke an der Neckarstraße bis hoch zum Kernerplatz gekauft. Wulle war nicht nur ein begabter Brauer, dessen Bier gerühmt wurde. Er war auch ein begnadeter Verkäufer. Die Stuttgarter Bürgerhalle eröffnete er auf dem Gelände, ein Tanztreff und beliebter Treffpunkt. Und brachte so sein Bier an den Mann und die Frau. Wulle baute auch den Friedrichsbau mit Tanzsälen, Restaurants und Varieté. Im Krieg wurde die Brauerei zerstört. Mit dem Wirtschaftswunder erholte sich auch Wulle. Bis 1971 Dinkelacker zuschlug, den Konkurrenten kaufte und trockenlegte. Schließlich wurde die Brauerei abgerissen. Die Baulücke war ewig zu sehen, es drohte gar der Hang abzurutschen. Bis dort gebaut wurde, Ministerien sowie das Hotel Interconti, das heute das Le Méridien ist. Damit war Wulle Geschichte. Bis auf den Wulle-Steg.

Ein Kreis schließt sich

Nun folgt die Rückkehr aufs Volksfest. Es war ein langer Anlauf. Geschäftsführer Christian Dinkelacker hat seinen Freund Karl Maier mit viel Ausdauer bearbeitet. Maier schenkt beim Frühlingsfest Dinkelacker aus, beim Volksfest hatte er bisher mit Hofbräu zusammengearbeitet. Und Dinkelacker und Schwabenbräu auszuschenken, hielt er für sinnlos, denn es gibt ja die Zelte der Brauerei. Doch Wulle, das klang interessant. „Auch um andere Zielgruppen zu erschließen“, sagt Maier, vom frischeren Image zu profitieren, jüngere und andere Gäste anzuziehen. Doch Maier war klar, es muss ein Festbier her, samt dazugehöriger Schanktechnik. „Wenn ihr das schafft, bin ich gesprächsbereit“, sagte er. So haben sie getüftelt, nicht nur am Bier, auch am Erscheinungsbild. „Wir hatten die Chance, was ganz Eigenständiges zu schaffen.“ So ist Wulle nun zurück, und da schließt sich auch für Karl Maier ein Kreis, wie er sagt.

Irrungen und Wirrungen

Zu Zeiten als samt Wulle noch vier Brauereizelte auf dem Wasen standen, war sein Vater Wirt des Hofbräu-Zelts. 25 lange Jahre. Bis Hofbräu auf die Idee kam, am Hirschbuckel zu bauen, imposant sollte es dort werden, Gastro vom Imbiss bis zu gehobener Küche einziehen. Maiers Vater sollte das aufbauen und betreiben. Doch der wollte nicht: „Ich bin Festwirt und kein Gastwirt!“ Die Brauerei machte Druck, Maier knickte nicht ein. Da kam Hofbräu mit einem Schausteller namens Walter Weitmann ins Geschäft, er übernahm die Gastro am Hirschbuckel und das Zelt. Die Maiers waren raus. Und übernahmen nach dem Wulle-Aus deren Zelt, wurden aber von allen Brauereien beliefert. Jeweils sechs Tage lange schenkten sie eine Marke aus und wechselten dann. Weil das die Kundschaft verwirrte und sie drauflegten, kauften sie ein kleineres Zelt. Mit Hofbräu söhnten sie sich später wieder aus. Und schenkten deren Bier beim Volksfest aus. Bis zu diesem Jahr. Nun gibt es wieder Wulle.