Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn hat das 169. Volksfest auf dem Cannstatter Wasen eröffnet. Sängerin Antonia aus Tirol hatte etwas Mühe, das Publikum in Stimmung zu versetzen.

Stuttgart - Eigentlich war es zu erwarten, trotzdem ist es ein Bild, das der Eröffnung des Cannstatter Volksfestes nicht ganz gerecht wird: Zum Fassanstich am frühen Freitagnachmittag gibt es, zumindest in dem Bereich neben den Ehrenplätzen, mehr als genug Sitzplätze auf den Bierbänken. Viel Volk hat sich nicht eingefunden – überwiegend Rentner sind an diesem Nachmittag im Dinkelacker-Festzelt der Brüder Klauss, zwischendrin haben auch sehr junge Wasen-Gänger einen Platz ergattert. Immerhin: der abgetrennte Bereich für die Ehrengäste ist voll besetzt.

 

Wer in der Stadt Rang und Namen hat, sitzt direkt vor der Bühne und kann so die  Moderatorin Sonja Faber-Schrecklein nicht nur hören, sondern auch sehen. Für alle anderen sind im Zelt Videoleinwände aufgehängt. Die Eröffnungsfeier geht gut los: Die Musikkapelle aus Maichingen spielt „Unser Schwabenland“, die Fahnenschwinger tun ihr Übriges dazu. „Und weil es vorher kein Bier gibt, erhöht das auch die Aufmerksamkeit aufs Wesentliche“, sagt Faber-Schrecklein zu Beginn des einstündigen Bühnenprogramms.

Fünf Schläge braucht der Stuttgarter Rathauschef

Das Wesentliche ist in dem Fall zunächst einmal die Rede von Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). Ein schönes Volksfest wünscht er allen Beteiligten, drückt den Festwirten und Schaustellern seine Anerkennung aus und bringt dann doch schnell auf den Punkt: „Jetzt geht’s an das, worauf alle warten: ans Bier.“ Mit Liegestützen und mentalem Training habe er sich vorbereitet, verrät er noch. Viel gebracht scheint das allerdings nicht zu haben: Fünf Schläge braucht der Stuttgarter Rathauschef, einen mehr als im vergangenen Jahr. Dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) ist das egal. „Das Bier schmeckt immer gleich“, sagt er. Um 15.19 Uhr ist a’zapft, an der Fruchtsäule verkünden feierliche Salutschüsse den Beginn des Volksfestes und Büttel strömen aus dem Dinkelacker-Zelt zu den restlichen Festzelten aus, um zu verkünden, dass nun offiziell Bier ausgeschenkt werden darf.

Die ersten Maßkrüge kommen – zumindest für Antonia aus Tirol, die im kurzen Leoparden-Dirndl die Bühne betritt – zu spät. Ihre Ballermann-Hits funktionieren sicherlich nach der ein oder anderen Maß. So auf nüchternen Magen allerdings hat sie Schwierigkeiten, die Menge in Wallung zu bringen. So große, dass sie einem fast schon leidtun kann. Und das wiederum ist ihr Glück, denn: dass sie mehrmals so ihre Probleme mit der richtigen Wahl des Artikels für „die Wasen“ hat, überhören die Zeltbesucher dann einfach höflich.

Insgesamt aber wurde deutlich, dass die Nachmittagspremiere des Fassanstichs noch viel Luft nach oben hat. Möglicherweise haben die Traditionalisten ja recht: Eine Institution, die auf eine so stolze Geschichte zurückblicken kann wie das Cannstatter Volksfest, braucht keine aufgezwungene Fröhlichkeit zum Start.

Der Weg des Festzugs