Daimler und BMW wollen mit ihren Carsharing-Töchtern Car2Go und Drive Now den Mobilitätsangeboten von Uber und Google paroli bieten. Noch sind aber nicht alle Details zwischen den seitherigen Konkurrenten – und weiteren Eigner – geklärt.

München - Bei Deutschlands Kfz-Herstellern reift eine Erkenntnis. „Heute verkaufen wir noch Autos, morgen sind es gefahrene Kilometer“, beschreibt man bei BMW den Wandel vom traditionellen Autohersteller zum Mobilitätsdienstleister der Zukunft. Letzteres heißt heute vor allem Carsharing, Morgen könnte das getragen von selbstfahrenden Autos in Flotten von Robotertaxis münden. Darauf spekulieren auch neue Wettbewerber wie der US-Fahrtenanbieter Uber oder Internetriesen wie Google.

 

Verhandlung hinter den Kulissen

Gegen diese Konkurrenz proaktiv wehren wollen sich die beiden führenden deutschen Premiumhersteller Daimler und BMW, indem sie hinter den Kulissen über eine Fusion ihrer Carsharing-Töchter Car2Go (Daimler) und Drive Now (BMW) verhandeln. Das ist kein Selbstläufer. Gemeinsam gegen Uber, Google & Co ist besser als einzeln, lautet die plausible Parole. Herstellerübergreifende Bündnisse sind auch nicht mehr neu in der Branche. Beim digitalen Kartendienst Here haben die Stuttgarter und Münchner zusammen mit Audi gemeinsame Sache gemacht. Beim Aufbau von Stromtankstellen an deutschen Autobahnen sitzen Daimler, BMW, Ford und VW in einem Boot. Beim Carsharing wird die Sache jedoch dadurch verkompliziert, dass hier nicht nur die beiden Autokonzerne am Tisch sitzen. Dritter im Bunde ist der Pullacher Autovermieter Sixt, der vom 73-jährigen Firmenpatriarchen Erich Sixt recht eigenwillig geführt wird. Erst wollte der gar nichts von einer Fusion zwischen Drive Now und Car2Go wissen. Das hat sich geändert. Bei der strategischen Ausrichtung des neuen Gebildes will Sixt aber mitreden. Denn der Autovermieter aus Pullach bei München ist an Drive Now nicht nur zur Hälfte beteiligt. Er steuert auch die zum Teilen von Autos nötige Software und Infrastruktur bei. Bei Daimler sieht das Verhältnis zum Autovermietpartner Europcar ganz anders aus. Der ist zu einem Viertel an Car2Go beteiligt – ohne operativen Aufgaben. Das sind nicht die einzigen Unterschiede. Gemessen an Kundenzahl und Autoflotte ist Car2Go dreimal so groß wie Drive Now. Letztere sind in Deutschland profitabel, während die Konkurrenz „unvorstellbare Verluste“ einfährt, sagt Erich Sixt. Von einer dreistelligen Millionensumme will er wissen. Car2Go schweigt dazu und verweist nur auf Gewinne in einzelnen Städten wie Berlin.

Bei Sixt ist man weniger zugeknöpft als bei Car2Go

Gesprächiger ist Sixt. Alle wollten heute Mobilität anbieten und Mobilitätsdienstleister sein, sagt der 73-jährige. Das müsse man aber professionell organisieren und vermarkten können, was Sixt als weltweit renditestärkster Autovermieter seit Jahrzehnten vorexerziere. „Es braucht viel Erfahrung, wenn das Geschäft nicht nur wachsen, sondern auch profitabel betrieben werden soll“, ätzt Sixt. Das darf man getrost nicht nur als Seitenhieb auf Uber sondern auch auf Car2Go verstehen. Die Strategie, vorübergehend hohe Verluste in Kauf zu nehmen, um dafür im Gegenzug rasch Märkte zu besetzen und die eigene Marke bekannt zu machen, ist Sixt ziemlich wesensfremd. Das macht die Gespräche zur Carsharing-Fusion nicht einfach, zumal beide Autobauer auch bilateral knifflige Fragen klären müssen.

Ob Autos künftig unter einer gemeinsamen Dachmarke geteilt werden oder unter Erhalt der bisherigen Marken, ist dabei wohl nicht die schwierigste. Auch den Firmensitz, bei dem Berlin im Gespräch ist, sowie das Ausmaß der Kooperation muss man klären. Daimler etwa hat die Taxivermittlungs-App Mytaxi oder den Mobilitätsmanager Moovel zu bieten. Seitens BMW sind es die Stromladetochter Charge Now und der Parkplatzvermittler Park Now. Auch Sixt hat Mobilitätsangebote wie den Chauffeurdienst Mydriver oder Maas, die Sixt-Interpretation eines Dienstwagens. Und auch weitere Partner sollen möglichst einmal an das neue Gebilde andocken können.

Daimler, BMW und Sixt müssen sich noch zusammenraufen

Die strategische Frage beim Schmieden eines gemeinsamen Mobilitätsriesen dreht sich also nicht nur darum, wie expansiv man an die Sache herangeht und welche Dimensionen von Verlusten man in Kauf nimmt. Sie umfasst auch das Angebotsspektrum und welche Töchter man jeweils einbringen will. Drive Now für sich sei ein Juwel, sagt Sixt stolz. Aber künftig müsse man viel stärker in Mobilitätsbudgets als den Vertrieb einzelner Produkte denken. Kunden der Zukunft sei es egal ob sie einen Mietwagen von Sixt, ein Auto von Drive Now oder ein anderes Mobilitätsangebot nutzen. So gesehen ist alles aus einer Hand das Gebot der Stunde. Dazu müssen sich Daimler, BMW und Sixt aber noch zusammenraufen, was angeblich bis Herbst geplant ist. Weder dazu noch zu den Streitpunkten will sich das Trio offiziell äußern. "Der Pionier gibt den Weg vor", heißt es in Stuttgart lediglich vage. Verbunden wird das mit der Feststellung, dass Car2Go bereits 2008 - drei Jahre vor Drive Now - gegründet worden und damit der eigentliche Pionier sei. Es sind offenkundig noch einige Fragen zu klären.