Lange Suche, steigende Kundenzahlen und logistische Hürden: Die Esslinger Caritas-Tafel hat mit dem Umzug einen wichtigen Schritt getan, um weiter Menschen in Not zu helfen.
Drei Jahre lang hat die Esslinger Caritas-Tafel „Carisatt“ nach neuen Räumlichkeiten gesucht. Im März 2023 wurde man fündig. Doch es dauerte noch mehr als zwei Jahre, bis der neue Tafelladen in der Sirnauer Straße 7 in den Räumlichkeiten der ehemaligen Wirtschaftshilfe eröffnet werden konnte. Am Freitag, 16. Mai, war es endlich soweit: Das rote Band wurde feierlich durchschnitten. Ursprünglich war der Umzug auf den September 2023 geplant.
Ein kurzer Blick zurück: Das Aus für die Wirtschaftshilfe war letztlich ein Glücksfall für die Tafel. Die Wirtschaftshilfe musste Ende des Jahres 2022 schließen, nachdem der Gemeinderat beschlossen hatte, den städtischen Eigenbetrieb aufzulösen. Der Vermieter sei dann Anfang des Jahres 2023 auf die Caritas zugekommen. „Sagen wir es mal so: Mit der Miete ist man uns sehr entgegengekommen“, verriet Sven Jaissle, Leiter der Wirtschaft bei der Caritas Fils-Neckar-Alb, damals. „Ein Faktor war vermutlich, dass er weiß, dass er mit uns zuverlässige Mieter hat.“ Jaissle ist derzeit in Elternzeit, ließ es sich aber nicht nehmen, zur Tafeleröffnung zu kommen.
Viele geflüchtete Ukrainer gehen zur Tafel
Warum war der Umzug so wichtig? Als sie die alten Räume vor mehr als 25 Jahren angemietet hätten, sei der Laden ausreichend gewesen. Der Kundenstamm hatte sich inzwischen aber vervielfacht. Ukrainische Kriegsflüchtlinge sorgten in den vergangenen Jahren für einen massiven Zulauf und brachten viele Tafeln im Kreis an ihre Belastungsgrenze. Inzwischen habe sich das aber wieder etwas beruhigt, sagt Helga Rütten, die Jaissle derzeit als Wirtschaftsleiterin vertritt.
Carisatt ist jetzt barrierefrei
Groß genug waren die alten Räumlichkeiten eigentlich. Das große Problem: Die Aufteilung über zwei Stockwerke – barrierefrei sieht anders aus. Ganz oben befand sich die Boutique mit dem Kleiderverkauf. Für Menschen mit Gehschwierigkeiten war sie kaum zu erreichen. Jetzt sind die insgesamt etwa 330 Quadratmeter, auf denen sich der Tafelladen und der neue Kleidungsverkauf befinden, auf einer Ebene. Rechnet man die Lagerräume dazu, kommt man auf 700 Quadratmeter. Es gibt sogar Platz, um mit Einkaufswagen durch den Laden zu fahren – früher war das aufgrund der beengten Räumlichkeiten unmöglich. Zudem wurde am neuen Standort für Rollstuhlfahrer ein Lift eingebaut, um in den Tafelladen zu gelangen, da der Haupteingang nur über eine Treppe erreichbar ist.
Während der Verkauf im Tafelladen bereits am Montag, 19. Mai, beginnt, wird der Verkauf von Kleidung erst gegen Juli beginnen können, wie Rütten sagt. Der Raum ist noch leer, bald sollen Kleiderständer und Regale aufgebaut werden, die gefüllt werden müssen. „Gerade hier brauchen wir noch dringend ehrenamtliche Helfer“, sagt sie. „Wobei wir natürlich jede helfende Hand gebrauchen können, auch im Tafelladen.“
Auch die Logistik ist jetzt einfacher: Statt die Waren auf verschiedene Stockwerke zu verteilen, geht das jetzt über einen Fahrstuhl, der in den weiträumigen Keller führt, wo alles zentral gelagert werden kann. Sogar ein begehbares Kühlhaus gibt es dort.
350 000 Euro Umbaukosten durch spenden und Fördergelder finanziert
Durch die lange Verzögerung sind natürlich auch die Kosten gestiegen, wie Sven Jaissle sagt. Bei etwa 350 000 Euro seien sie gelandet, die sie komplett über Fördergelder und Spenden finanzieren konnten. So habe beispielsweise der Lionsclub die Einkaufswagen und die neue Kasse beigesteuert. Auch der Vermieter habe einen Teil übernommen und sich beispielsweise um den Brandschutz gekümmert.
Brezel kostet im Tafelladen nur 10 Cent
Oberbürgermeister Matthias Klopfer freut sich in seiner Eröffnungsrede, dass die Tafel „im Herzen von Esslingen“ bleibt, weil sie einen entscheidenden Beitrag dazu leiste, dass alle Esslinger gut leben können. Denn „etwa 100 bis 120 Menschen kommen täglich in den Tafelladen“, erklärt Franz Xaver Baur, Regionalleiter der Caritas Neckar-Alb-Fils. „Wir haben recherchiert, und ein Bürgergeldempfänger hat im Schnitt 196 Euro im Monat für Essen und Trinken zur Verfügung.“ Dass man bei der Tafel beispielsweise eine Brezel für 10 Cent bekomme, helfe den Menschen, nicht nur, um besser über die Runden zu kommen, sondern auch dabei, dass sie sich vielleicht auch mal etwas leisten können, was sonst nicht drin wäre. Das fördere die Teilhabe. In den Tafelläden kann sich jeder einen Tafelausweis ausstellen lassen, der nachweist, dass er über ein geringes Einkommen verfügt. Dieser Ausweis berechtigt zum günstigen Einkauf von gespendeten Lebensmitteln. Die kommen hauptsächlich von Supermärkten, die unverkäufliche, aber noch gute Lebensmittel von den Tafeln abholen lassen. Allerdings wird das laut Baur mengenmäßig immer weniger. Die Supermärkte könnten dank des technischen Fortschritts genauer kalkulieren, wodurch für die Tafelläden weniger übrig bliebe.
Tafelläden in Deutschland
Zahlen
Bundesweit gibt es nach Angaben des Dachverbandes Tafel Deutschland etwa 970 Tafeln. Die erste Einrichtung wurde 1993 durch die Initiativgruppe Berliner Frauen in Berlin gegründet. Die Idee dahinter ist, dass einwandfreie überschüssige Lebensmittel von Händlern und Herstellern gesammelt und regelmäßig an mehr als zwei Millionen armutsbetroffene Menschen im ganzen Land verteilt werden. Die Tafeln haben in Deutschland etwa 60 000 Helferinnen und Helfer.
Region
Die Esslinger Tafel wird seit 26 Jahren von der Caritas Fils-Neckar-Alb betrieben. Eine Ausgabestelle ist auch in Wernau. Weitere Tafeln gibt es im Kreis Esslingen auch in der Max-Eyth-Straße 1 in Kirchheim, in der Mönchstraße 10 in Nürtingen oder in der Echterdinger Straße 51 in Filderstadt. Mehr Informationen zur Esslinger Tafel unter: www.caritas-fils-neckar-alb.de