Im Kampf um ihr Caro-Kaffee-Werk ist ihnen keine Strapaze zu groß: Ludwigsburger Nestlé-Mitarbeiter machen ihrem Frust vor der Konzernzentrale in der Schweiz Luft. Und sie sind dabei nicht allein.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Ludwigsburg/Vevey - Ruhig und nachtblau schimmernd liegt der Genfer See da, von einer Brise leicht gekräuselt. Der Gegensatz zur Gemütslage der rund 450 Menschen, die beschwerliche Wege auf sich genommen haben, um hierher zu gelangen, könnte nicht größer sein. Sie sind aufgewühlt, zornig und tun das lautstark kund. Zum Sightseeing sind sie nicht da – dazu passt, dass sie den See kaum zu Gesicht bekommen. Zwischen ihnen und dem Gewässer ragt der fünfgeschossige Verwaltungshauptsitz von Nestlé. Er liegt direkt am Ufer. Wer von der Stadtseite her kommt, sieht den See durch die gläserne Lobby des Jean-Tschumi-Baus schimmern.

 

Dass er auch Teil dieser Nestlé-Welt ist, kommt Michele Mascolo fast unwirklich vor. Hier der kühle Glanz, das mondäne Ambiente – zuhause in Ludwigsburg das Elend, die Tränen, die Machtlosigkeit angesichts der bevorstehenden Abwicklung des Caro-Kaffee-Werks, in dem der schmale, ernste Mann und seine Schwester Anna die Dienstältesten sind. Vor 38 Jahren fingen die beiden bei der Firma an, die damals noch Unifranck hieß. „Wir haben unser ganzes Leben nichts anderes gemacht als Lebensmittel herzustellen. Früher ist die Firma ein fairer, guter Arbeitgeber gewesen“, sagt Michele Mascolo. Jetzt ist er 56 Jahre alt. Nie hätte er sich vorstellen können, dass sein Berufsleben so enden würde.

Zeigen, dass man nicht kampflos aufgibt

Das Aus für Ludwigsburg scheint, wenn nicht noch ein Wunder geschieht, besiegelt, Caro-Kaffee soll künftig im portugiesischen Avanca produziert werden. Für die Mascolos war es trotzdem Ehrensache, zu nachtschlafender Zeit vor dem Werk in der Pflugfelder Straße in den Bus zu klettern und bei der zentralen Protestkundgebung vor der Unternehmenszentrale in Vevey die Fahnen für ihr Werk hochzuhalten.

„Um zu zeigen, dass man nicht kampflos aufgibt“, sagt Michele Mascolo. „Und um an das Gewissen der Aktionäre zu appellieren.“ Mit rund 35 Kollegen aus Ludwigsburg haben sie sich vom zentralen Treffpunkt am Veveyer Bahnhof aus in den lärmenden Zug eingereiht, der mit Plakaten, Rätschen und Pfeifen Richtung Nestlé-Hauptsitz marschiert. Die Passanten, für die solch ein Spektakel nicht an der Tagesordnung ist, beäugen den Zug erstaunt. „Trillerpfeifen sind verboten“, hat ein Polizist die Ordner zunächst noch belehrt. Als die Demonstranten trotzdem pfeifen, was das Zeug hält, greift allerdings niemand ein.