Castle Freeman ist berühmt für seine lakonischen Romane, die ein bisschen wie Wildwest-Kaurismäki-Filme klingen: düstere Charaktere, die nicht viel reden, eine irgendwie neblig-schaurig-melancholische Atmosphäre, aufrechte, wenn auch moralisch nicht immer einwandfreie Männer und natürlich die Frauen, die auch nicht so ganz normal sind: Wings Mutter, Wings Frau und Wings Deputy - alle ein bisschen außer der Spur. Wings Mutter fängt an, mit ihrem verstorbenen Mann zu reden und zieht zu einem ehemaligen Liebhaber von ihr, im Koffer nur eine Riesenkollektion Schlafhemden; Wings Frau Clemmie, die ihn rausgeworfen und sich einen Liebhaber genommen hat, der jetzt bei ihr wohnt (Wing schläft im Büro); Wings Deputy, die natürlich ein Auge auf ihn geworfen hat und gern mehr von sich auf ihn werfen würde.

 

Freeman kann in nur wenigen Worten seine Helden präzise umreißen, sodass man sie direkt vor Augen hat. In kurzen Dialogen erschafft er eine innere und äußere Welt, wie ich es hierzulande nur von Christiane Geldmacher kenne.

Das ist alles präzise geschrieben und macht auch Spaß zu lesen, auch die Eheprobleme der beiden Wings, die Versuche des Schwiegervaters, ihnen zu helfen - aber natürlich will er sich nicht einmischen. Wings Versuche, den Kontakt mit Clemmie möglichst zu meiden, aber ihr dennoch ein bisschen hinterherschnüffelt und ihr die Fenster repariert und mit der Katze redet.

Dennoch bleibt ein unguter Geschmack zurück. Denn das Verschwinden der drei Männer (auch Clemmies neuer Lover verschwindet plötzlich auf Nimmerwiedersehen) ist das Werk der drei Alten. Systematisch „reden“ sie mit den Nichtsnutzen, die sie in ihrer Gegend nicht haben wollen. Und diesmal hilft Wing ihnen sogar: Er erschießt Roark, den die Alten in eine Falle gelockt haben. Und der Untersuchungsbeamte stellt trotz einiger Indizien für den Mord die Ermittlungen ein, weil Roark „ein Arschloch“ gewesen ist, um den es nicht schade sei.

Das Buch ist wirklich gut und spannend zu lesen, es hat viel Witz, und mit dem Ich-Erzähler Wing entwickelt man schnell Sympathie. Niemandem ist zu trauen, nicht einmal der eigenen Mutter. Aber diese Art von Selbstjustiz, die er da unternimmt? Regelt man die Dinge so in Vermont und umgebenden Staaten? Macht man das auch mit Schwulen und Schwarzen und Linken? Da ist es kein Wunder, dass Trump Präsident geworden ist.

Alle ein bisschen außer der Spur

Castle Freeman ist berühmt für seine lakonischen Romane, die ein bisschen wie Wildwest-Kaurismäki-Filme klingen: düstere Charaktere, die nicht viel reden, eine irgendwie neblig-schaurig-melancholische Atmosphäre, aufrechte, wenn auch moralisch nicht immer einwandfreie Männer und natürlich die Frauen, die auch nicht so ganz normal sind: Wings Mutter, Wings Frau und Wings Deputy - alle ein bisschen außer der Spur. Wings Mutter fängt an, mit ihrem verstorbenen Mann zu reden und zieht zu einem ehemaligen Liebhaber von ihr, im Koffer nur eine Riesenkollektion Schlafhemden; Wings Frau Clemmie, die ihn rausgeworfen und sich einen Liebhaber genommen hat, der jetzt bei ihr wohnt (Wing schläft im Büro); Wings Deputy, die natürlich ein Auge auf ihn geworfen hat und gern mehr von sich auf ihn werfen würde.

Freeman kann in nur wenigen Worten seine Helden präzise umreißen, sodass man sie direkt vor Augen hat. In kurzen Dialogen erschafft er eine innere und äußere Welt, wie ich es hierzulande nur von Christiane Geldmacher kenne.

Das ist alles präzise geschrieben und macht auch Spaß zu lesen, auch die Eheprobleme der beiden Wings, die Versuche des Schwiegervaters, ihnen zu helfen - aber natürlich will er sich nicht einmischen. Wings Versuche, den Kontakt mit Clemmie möglichst zu meiden, aber ihr dennoch ein bisschen hinterherschnüffelt und ihr die Fenster repariert und mit der Katze redet.

Dennoch bleibt ein unguter Geschmack zurück. Denn das Verschwinden der drei Männer (auch Clemmies neuer Lover verschwindet plötzlich auf Nimmerwiedersehen) ist das Werk der drei Alten. Systematisch „reden“ sie mit den Nichtsnutzen, die sie in ihrer Gegend nicht haben wollen. Und diesmal hilft Wing ihnen sogar: Er erschießt Roark, den die Alten in eine Falle gelockt haben. Und der Untersuchungsbeamte stellt trotz einiger Indizien für den Mord die Ermittlungen ein, weil Roark „ein Arschloch“ gewesen ist, um den es nicht schade sei.

Das Buch ist wirklich gut und spannend zu lesen, es hat viel Witz, und mit dem Ich-Erzähler Wing entwickelt man schnell Sympathie. Niemandem ist zu trauen, nicht einmal der eigenen Mutter. Aber diese Art von Selbstjustiz, die er da unternimmt? Regelt man die Dinge so in Vermont und umgebenden Staaten? Macht man das auch mit Schwulen und Schwarzen und Linken? Da ist es kein Wunder, dass Trump Präsident geworden ist.

Castle Freeman: Der Klügere lädt nach. Roman. Übersetzt von Dirk van Gunsteren. Verlag Nagel & Kimche. 202 Seiten, 19 Euro