Ein Filmprojekt verbindet in der Coronakrise die Partnerstädte Mumbai und Stuttgart. Catarina Mora hat dafür Tänzer an bildstarken Orten in Bewegung gebracht.

Stadtleben/Stadtkultur/Fildern : Andrea Kachelrieß (ak)

Stuttgart - Es sind schwierige Zeiten für Bühnenkünstler, fast überall auf der Welt verhindert die Coronakrise Auftritte. Dass der Tanz als Sprache des Körpers gerade in schwierigen Zeiten nicht verstummen darf, unterstreicht ein Projekt, das stellvertretend die Partnerstädte Stuttgart und Mumbai verbindet. „Tanz in Zeiten von Corona – Building Bridges“ heißt es und ist unter der Leitung der Tänzerin und Choreografin Catarina Mora entstanden.

 

Die Idee zum kulturellen Brückenbau hatte Andreas Lapp, der indische Honorarkonsul in Stuttgart. Da das persönliche Treffen, mit dem die beiden Partnerstädte ihre Beziehung jedes Jahr lebendig halten, ausfallen musste, soll dieses Filmprojekt die Leerstelle überwinden. Catarina Mora hat als Stuttgarter Botschafterin schon in Mumbai getanzt; 2018 hatte sie Gäste aus der indischen Metropole bei ihrem Flamenco-Festival begrüßt. Diese Verbindungen haben ihr nun bei der Realisierung des „indo-german Dance-Projects“ und bei der Partnersuche in Mumbai geholfen.

Die Einsamkeit der Tänzer

Die Spielregeln von „Building Bridges“: Über einen Zeitraum von vier Wochen haben zwei Choreografinnen – in Indien war das Shubhada Varadkar, in Stuttgart Catarina Mora – für jeweils drei Filme mit jeweils zwei Tänzern ihre Stadt erkundet. Tänzer und Tänzerinnen wurden dafür an unterschiedlichen Plätzen gefilmt. Sie habe die Stuttgarter Motive wie zum Beispiel das Mercedes-Museum so gewählt, sagt Catarina Mora, dass „jeder Inder aufschreit vor Begeisterung“. Auch die Tanzszenen aus Mumbai etwa vor dem Triumphbogen Gateway of India hinterlassen Eindruck. „Das sind gewaltig schöne Bauten und Plätze“, sagt Catarina Mora, der es aber vor allem um die Einsamkeit der Tänzer in Zeiten der Coronapandemie geht. „Als wir Anfang Januar auf dem Karlsplatz mit dem Breaktänzer Aaron Petersen gedreht haben, war dieser Ort menschenleer. Das macht die Pandemie aus den Augen eines Tänzers auf besondere Art fühlbar.“

Die Stimmen der Tänzer sind der Sound

Persönliche Statements der Tänzer fangen diese Situation ein und bilden den Sound, zu dem sie sich bewegen. Sie sprechen über die schwierige Zeit ohne Bühnen, Theater und Tanzstudios. Ganz unterschiedliche Paare finden für „Building Bridges“ zusammen, Breakdancer und Behinderte, Kinder und Profis. Im Zusammenklang der Bilder zeigen die entstandenen Filme, wie Tanz dabei helfen kann, sich über Grenzen hinweg zu verständigen. „Der Tanz existiert weiter und bleibt das Lebenselixier vieler Künstler. Seiner Schönheit und Aussagekraft kann das Coronavirus nichts anhaben“, sagt Catarina Mora.

Mit Catarina Mora, die Tänzer aus verschiedenen Stilen auswählte, hat zum Beispiel Vincent Travnicek vom Stuttgarter Ballett gearbeitet, gedreht wurde auch in der leeren Cranko-Schule. Im Film steht Vincent Travnicek der klassischen indischen Tänzerin Mitali Varadkar gegenüber. „Ich wollte zeigen, was der Begriff klassisch in verschiedenen Kulturen bedeutet“, sagt Catarina Mora über das Grenzen überwindende Element des Tanzes. „Aber egal, aus welcher Kultur man kommt: Die Einsamkeit, die alle Tänzer gerade empfinden, ist erschlagend und belastend.“

Schön ist zu hören, wie diese jungen Menschen trotz der Einschränkungen das Beste aus ihrer Situation machen. Der Tanz ist ihnen Beschäftigung im Lockdown und Zeichen der Hoffnung. Auf ein neues Miteinander, neue Chancen und ein neues Bewusstsein für persönliche Freiheiten hofft Vincent Travnicek vor der Grabkapelle in Rotenberg, auf mehr „Zuversicht in die Zukunft“ Aaron Petersen.

Zu finden sind die drei „Building Bridges“-Filme auf Youtube. Mit dabei sind die Tänzer und Tänzerinnen Mitali Varadkar und Vincent Travnicek, Saiyette Varadkar und Michèle Bredow sowie Avantika Varadkar und Aaron Petersen.