Catherine Deneuve, die letzte Diva des internationalen Kinos, wird diesen Dienstag siebzig Jahre alt. Einst hat sie in Luis Bunuels „Tristana“ als junge Frau an Krücken triumphiert.

Stuttgart - Schönheit muss viel leiden, gerade im Kino. Die Kamera mag sich an Gesichtern und Körpern anbetend festsaugen, aber die Erzähler hinter der Kamera haben oft ein ambivalenteres Verhältnis zur Schönheit. Sie wollen sie brechen, beschädigen, schikanieren, bestrafen. Alfred Hitchcocks ins Sadistische streifende Verhältnis zu seinen Hauptdarstellerinnen ist legendär. Und so kann man auch die Leinwandgeschichte von Catherine Deneuve, einer der Göttinnen des Kinos, als eine der Zumutungen beschreiben.

 

Und keiner hat der heute vor siebzig Jahren in Paris Geborenen so konsequent etwas zugemutet wie Luis Buñuel, der Meister des Makabren, Surrealen und Perversen. In Buñuels Kinowelt wurde Deneuve durch die Mangel gedreht, in „Belle de Jour“ und „Tristana“, musste sie die Nutte, die Missbrauchte, die Unerfüllte, die Kranke spielen. Aber Deneuve wirkte nie weniger verschreckt als hier, weil Buñuels Attacken heimlichen Machtproben waren. Sie standen schon im Drehbuch, und Deneuve konnte erkennen, dass sie auf sehr elegante und nachhaltige Weise anders vom Fluch und Geschenk ihrer Schönheit erzählen konnte, als das Kolleginnen vergönnt war. Deneuve war nie ätherisch schön, sie war immer die perfekte Blüte, die sich als Falle für jedes Insekt entlarven konnte, das in die Nähe ihrer zuschnappenden Blätter surrte.

In „Tristana“ von 1970 tritt sie gleich zu Anfang in Sack und Asche ins Bild, in Trauerkleidung. Sie wirkt zwar zehn Jahre jünger, als sie damals war, wie ein Mädchen, doch nicht wirklich verschüchtert. Eher so, als begriffe Tristana die Züchtigkeit, die im Spanien der dreißiger Jahre von einer gerade zur Waise gewordenen jungen Frau erwartet wird, als Schutz, aus dem heraus sie beobachten und agieren kann.

Nicht nur sinnliche Seligkeit

Dieses Mädchen wird seinem von Fernando Rey gespielten Onkel übergeben, einem alten, fast bankrotten Schwerenöter, der Vormundschaft und Buhlschaft nicht trennen kann. Eine ihrer größten Rollen zuvor hatte Deneuve in Roman Polanskis „Ekel“ gehabt. Dort waren ihr als junger Frau, die verrückt wurde, sogar die Wände ihrer Wohnung als Angreifer erschienen. Wie leicht ließe sich „Tristana“ als Opfergeschichte von Schändung und Traumatisierung, von sexueller Ausbeutung und sozialer Einkerkerung erzählen.

Aber dieser Film, in dem fast jede neue Szene nicht nur einen Zeitsprung bringt, sondern eine merkliche Fortentwicklung der Beziehung von Tristana und ihrem Onkel, ist viel komplexer.

Als der geile alte Herr dem Mädchen den ersten Kuss aufzwingt, leuchtet etwas im Gesicht der Deneuve. Diese Tristana begreift, dass sie Tugend abgibt und Macht gewinnt. Immer wieder wird sie sich bei anderen als angeekelt und unglücklich beschreiben. Aber das beschreibt ihre Lage nur ansatzweise, so wie ihre Beziehung zu einem jungen Liebhaber (Franco Nero) nicht nur sinnliche Seligkeit ist.

Onkel und Nichte können nicht voneinander lassen. Aber so, wie Tristana den herrschsüchtigen Gockel nach und nach zum hohltönenden Wicht macht, geht sie auch selbst kaputt. Sie wird ein Bein verlieren, und wie Buñuel die Schönheit an Krücken zeigt, das ist ein perfekter Ausdruck für die Hassliebe des Kinos zu den außergewöhnlich Strahlenden. Hitchcock war, wen wundert’s, ein Bewunderer von „Tristana“.