Nach dem Urteilsspruch in der Causa Claudia Pechstein steht fest: Die Verbände müssen ihre Gerichtsbarkeit endlich grundlegend reformieren. Dann wird es im Sport künftig gerechter zugehen.

Chef vom Dienst: Tobias Schall (tos)

Stuttgart - Man muss sich vor Augen führen, was am Donnerstag in München passiert ist: die Eisschnellläuferin Claudia Pechstein darf den Weltverband ISU verklagen! Es klingt absurd, dass es dafür staatlicher Absolution bedarf. Bisher mussten Athleten aber tatsächlich Schiedsvereinbarungen unterschreiben, mit denen sie sich allein der Sportgerichtsbarkeit unterwerfen und versichern, bei Streitigkeiten auf den Gang vor ordentliche Gerichte zu verzichten. Willkommen in der Organisation des Sports. Claudia Pechstein also hat die dritte Gewalt um Erlaubnis gefragt – und diese nun auch bekommen.

 

Das OLG München hat damit den Zwang der Sportmonopolisten mit Verweis auf das Kartellrecht faktisch abgeschafft. Es ist ein sportrechtlich historischer Tag, vorbehaltlich allerdings der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der das letzte und das entscheidende Wort sprechen wird.

Die Sportgerichtsbarkeit ist im Grundsatz sinnvoll. Sie kann zum Beispiel schneller über Verstöße gegen die eigenen Regeln urteilen, und das wird sie auch weiterhin. Wie viele Spiele Sperre es nach einer Roten Karte gibt oder auch die Frage einer Dopingsperre nach einem positiven Test wird weiter von der Sportgerichtsbarkeit bearbeitet. Aber der Athlet hat die Chance, Urteile mit großer Tragweite und möglicherweise begangenes Unrecht außerhalb dieses geschlossenen Systems von unabhängigen Instanzen überprüfen zu lassen.

Der Sport muss seine Gerichtsbarkeit jetzt anpassen und grundlegend reformieren, sie fairer und transparenter gestalten. Es wird alles ein bisschen komplizierter werden – aber vor allem: gerechter.