Die Stuttgarter Sängerin Seda Amir-Karayan hat mit dem Pianisten Götz Payer Lieder von Schumann, Mahler und Komitas aufgenommen. Im Gespräch erzählt sie, warum ihr diese Musik besonders am Herzen liegt.

Lokales: Hans Jörg Wangner (hwe)

Stuttgart - Vor acht Jahren kam die Altistin Seda Amir-Karayan aus Armenien nach Deutschland, ohne ein Wort der fremden Sprache zu können. Längst ist sie im hiesigen Konzertleben etabliert, Deutsch spricht sie perfekt und völlig akzentfrei. Und auch musikalisch ist sie in beiden Ländern daheim.

 

Frau Amir-Karayan, mit Ihrem Klavierpartner Götz Payer haben Sie eine CD mit Liedern von Schumann, Mahler und Ihrem armenischen Landsmann Komitas aufgenommen. Sie trägt den Titel „Wehmut“. Warum?

Ich wollte einen Titel haben, der sowohl die deutsche wie auch die armenische Gefühlswelt widerspiegelt. In diesen acht Jahren, die ich in Deutschland lebe, hat „Wehmut“ auch mein Inneres zunehmend geprägt. „Weh“ und „Mut“ haben mich stets begleitet. Deshalb ist es kein Zufall, dass meine Debüt-CD zu meiner gesungenen Biografie wurde.

Welchen Stellenwert hat Komitas in der armenischen Musik?

Komitas ist der Begründer der armenischen klassischen Musik. Bis zum 19. Jahrhundert war die armenische Musik einstimmig. Komitas hat nicht nur die armenischen Monodien (vom 4. bis zum 15. Jahrhundert) und die Liturgie bearbeitet und polyphonisiert, sondern auch die Volkslieder gesammelt und viele davon bis zum Niveau vom Kunstlied entwickelt. Mit ihm beginnt eine neue Epoche armenischer Musik. Zweifellos ist Komitas ein armenischer Nationalheld.

Und für Sie persönlich?

Für mich persönlich ist Komitas wie mein Personalausweis. Ich brauche nur ein paar Töne von ihm zu singen, und es ist klar, wo meine Wurzeln sind. Deswegen hat seine Musik in meiner CD das gleiche Gewicht wie das deutsche Kunstlied. Komitas zeigt, wo ich herkomme, und das deutsche Kunstlied, wo ich angekommen bin. Beides gehört zu mir.

In Zeiten von Corona ist an einen öffentlichen Auftritt nicht zu denken. Und nun?

Leider erleben wir alle zurzeit eine ungewöhnliche Situation. Unser Kulturleben ist zum Stillstand verurteilt. Dem Virus fiel auch unsere Release-Party zum Opfer. Im Moment kann unser geschätztes Publikum unsere CD nur im Onlinehandel erwerben. Bessere Zeiten werden kommen!