Die Südwest-CDU sollte sich voll auf die Kommunal- und Europa­wahlen konzentrieren, statt Nachfolgediskussionen zu führen, fordert CDU-Generalsekretär Manuel Hagel.

Stuttgart -

 

- Herr Hagel, Ministerpräsident Kretschmann hat erklärt, er wisse noch nicht, ob er bei der Landtagswahl 2021 wieder antrete. Wen wünschen Sie sich als Kandidaten der Grünen?

Ach, das überlassen wir gerne den Grünen. Der Erfolg der CDU hängt von uns selbst ab. Wir sind auch ganz sicher nicht die Projektionsfläche der Grünen; wenn man manchmal so den MP hört, ist es eher umgekehrt.

Auch in der CDU spekulieren manche schon über die Spitzenkandidatur – nicht alle trauen Landeschef Thomas Strobl diese Aufgabe zu.

Die Frage steht jetzt nicht an. Derzeit richten wir unseren Fokus voll auf die Kommunal- und Europawahlen. Da gibt es für Christdemokraten viel zu tun.

Einige Landtagsabgeordnete kritisieren, dass Herr Strobl sich schon vor der Europawahl als Landesvorsitzender bestätigen lässt und damit eine Vorentscheidung getroffen werde.

Die Wahl des Landesvorstands steht laut Satzung dieses Jahr an. Da ist ein Wahltermin im Mai eigentlich nichts Besonderes. Dass ein/e Vorsitzende/r bei der Frage Spitzenkandidatur immer ein Wörtchen mitzureden hat, ist selbstredend.

Populisten nicht aus dem Weg gehen

Parteifreunde haben Friedrich Merz als Herausforderer für Ministerpräsident Kretschmann vorgeschlagen?

Das finde ich Gaga. So wie ich die CDU Baden-Württemberg kenne, hat sie schon den Anspruch, dass ihr Spitzenkandidat aus den eigenen Reihen kommt.

Viele befürchten, dass bei der Europawahl populistische, europafeindliche Parteien zulegen könnten. Wie gehen Sie in die Wahl?

Mit Blick auf Trump, Putin, Erdogan oder auch die Politik Chinas spürt doch jeder, dass sich in der Architektur der Weltpolitik viel verändert hat und noch mehr verändern wird. Wir werden diese Herausforderungen bewältigen, wenn wir als Europäer zusammenstehen. Die Probleme der Briten mit dem Brexit zeigen, welchen Schaden Populisten anrichten. Wir wollen deutlich machen, warum Europa in Zukunft gut ist. Es wird entscheidend sein für unsere Rolle in der Welt, für Sicherheit und Stabilität.

Aus Sicht vieler Bürger geht es bei Europa vor allem um die Interessen der Wirtschaft, weniger um ihre Belange . . .

Dem müssen wir entgegenwirken. Herausforderungen, die uns alle angehen, wie die Stabilität der Währung, europäische Außen- und Sicherheitspolitik, Energiefragen oder die Digitalisierung können wir nur gemeinsam bewältigen. Auch regionale und nationale Identitäten stehen nicht im Widerspruch zur europäischen Idee.

Auf die Basis hören

Was ist Ihr Ziel für die Kommunalwahlen?

Wir wollen stärkste Partei werden. Wir werden landesweit ein super Personalangebot machen. Uns geht es um unsere Heimat.

Sie sind seit zwei Jahren Generalsekretär. Ihr bayrischer Kollege hat kürzlich erklärt, die CSU werde von unten nach oben reformiert. Wie halten Sie es in der Südwest-CDU?

Das machen wir seit Jahren. Das Herz der CDU schlägt zuallererst in den Orts- und Gemeindeverbänden. Wer der Basis hier zuhört, bekommt das schönste Echo.

Was ist der Basis wichtig?

Sie will und muss wahr- und ernst genommen werden. Die Themen sind vielfältig – sie reichen von der betäubungslosen Ferkelkastration bis zur Digitalisierung, von Krankenhäusern im ländlichen Raum bis zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in den Großstädten.

„Thinktank der CDU Deutschland“

Zur Klausur der Südwest-CDU am Wochenende kommt auch die neue CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer. Was erwarten Sie von ihr, was geben Sie ihr mit?

In Baden-Württemberg trifft sie auf eine starke Truppe, den Thinktank der CDU Deutschlands. Wir werden vor allem über die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft und das wichtige Thema Mobilität sprechen. Mit unserer Schöntaler Erklärung wollen wir Antworten auf Globalisierung, Digitalisierung, Biologisierung, Individualisierung geben – wie wir die soziale Marktwirtschaft und Mobilität für das 21. Jahrhundert übersetzen. Es geht uns um konkrete Antworten, etwa die Herausforderungen für Start-ups, Mittelstand und Industrie im Land.

Wo sehen Sie Baden-Württemberg 2030?

Wenn ich das wüsste, würde ich hoch bezahlte Vorträge halten (lacht). Im Ernst: Wir Christdemokraten arbeiten für ein Baden-Württemberg, das heimatverbunden, aber auch weltoffen, traditionsbewusst und zukunftsorientiert ist, das die ländlichen Räume wertschätzt, aber auch den Großstädten Zukunft ermöglicht, für ein Land, das den Einzelnen im Blick hat und in dem man zusammenhält.

Und wo stehen Sie 2030?

Ich denke nicht den ganzen Tag an mich und was in einigen Jahren kommen mag. Die notwendige Gelassenheit gibt mir auch mein Gottvertrauen. Derzeit widme ich mich mit ganzer Kraft meiner jetzigen Aufgabe als Generalsekretär einer echt tollen Partei.

„Mensch mit eigenem Kopf“

Ihre Vorschläge zum Thema Abschiebestopp widersprechen denen von Innenminister Thomas Strobl, Ihrem Landesvorsitzenden . . .

Ich bin ein Mensch mit eigenem Kopf, und Thomas Strobl kann damit auch sehr gut umgehen. Loyalität heißt nicht, sich beliebig anzupassen, sondern setzt gerade auch eine eigene Haltung voraus.

100 Jahre Frauenwahlrecht: Bei den Wahlen 1919 kamen in Württemberg 8,5 Prozent Frauen in den Landtag, 2016 waren es 24,5 Prozent – bei der CDU 16,6 Prozent. Was tun Sie?

Frauen haben in der Union alle Chancen. Hierfür werden wir sie weiter stärken und ermutigen. Wo die Landespartei unmittelbar entscheiden kann, tun wir viel dafür, so haben fast alle unsere jüngeren Listen einen Frauenanteil von rund 50 Prozent. Aber nichts ist so gut, als dass es nicht noch besser werden könnte.