Die Verhandlungen für Grün-Schwarz stehen vor der Tür. Viele CDU-Mitglieder sehen die mögliche Regierungsbeteiligung als Chance – aber nicht alle. Wir haben einige Reaktionen von Christdemokraten gesammelt.

Stuttgart - Noch haben viele CDU-Mitglieder die deutliche Wahlniederlage nicht verarbeitet, doch schon stehen sie vor einer weiteren, emotional schwer verkraftbaren Herausforderung – die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen sind beschlossen. Die CDU-Vorsitzende im Kreis Heidenheim, Inge Gräßle macht ihren Parteimitgliedern Mut und formuliert Erwartungen: „Ich erwarte von der CDU, dass sie auch die Chance sieht – für sich selbst. Und die neue Etappe als wirklichen Aufbruch sieht“, sagt Gräßle, EU-Parlamentarierin und Landesvorsitzende der Frauen-Union Baden-Württemberg. Sie schaue optimistisch in die Zukunft.

 

Inge Gräßlin Foto: StZ
Die Chance bestehe darin, mitzuregieren – und damit das Land weiter voranzubringen, zu modernisieren und auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts einzustellen. „Ich bin mir sicher, das macht viel mehr Laune, als ,nur’ herumzugranteln“, sagt Gräßle. Es habe die CDU schon immer ausgezeichnet, dass sie sich der Verantwortung stelle. Dazu habe die Union jetzt erneut eine gute Gelegenheit – „die werden wir doch nutzen“ appelliert sie an die Partei, positiv an die Verhandlungen mit den Grünen heranzugehen. „Es wäre schön, wenn wir nicht aus lauter Angst vor dem Tod Selbstmord begehen“, sagt sie mit Blick auf die Sorgen und Bedenken vieler Parteimitglieder, die befürchten als Juniorpartner in einer grün geführten Regierung unterzugehen.

Armin Schuster will „kompetentes, sympathisches Team“

Keinerlei Berührungsängste mit den Grünen zeigt auch der CDU-Vorsitzende im Kreis Lörrach und Bundestagsabgeordnete Armin Schuster. Schließlich habe er bereits in den 1990er Jahren „und beinahe unter Androhung von Prügeln“ seitens seiner Parteikollegen Schwarz-Grün als „riskantes Projekt“ für attraktiv gehalten. Das sei damals, in jenen wilden Anfangsjahren der Grünen, während der Auseinandersetzungen um die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf und das Kernkraftwerk Brokdorf besonders schwierig gewesen. Ihn reize es, gemeinsam mit den Grünen Ludwig Erhards soziale Marktwirtschaft in eine „sozial-ökologische Marktwirtschaft“ weiter zu entwickeln. „Hightech, Innovation und ökologische Nachhaltigkeit seien gut mit den Grünen zu machen“, sagt Schuster – auch wenn es schmerze, dies nun in der Rolle des Juniorpartners zu erproben.

Armin Schuster Foto: StZ

Damit dieses Wagnis zur Chance werde, sei die Auswahl „der Köpfe“, das Wichtigste. Schuster fordert deshalb, dieses Mal völlig andere Spielregeln aufzustellen. „Ich erwarte eine außergewöhnliche Personalauswahl und jeglichen Verzicht auf Proporz“, erklärt der Lörracher Kreischef. Weder für den Bereich „Bund-Land“, noch regional, noch „Mann-Frau“. Schuster würde selbst ein reines Frauenteam akzeptieren – Hauptsache, „wir, also die CDU, werden wieder gemocht.

Einen solch beliebten Ministerpräsidenten – das ist seine Lehre aus der Wahlniederlage – müsse man mit dem „Kretschmann-Prinzip“ schlagen. Also mit einem Team, das ebenfalls über diese Wähler gewinnenden Eigenschaften verfüge – „charismatisch, kompetent, sympathisch.“ Namen nannte Schuster allerdings nicht.

Joachim Pfeiffer spricht von „Zwangsheirat“

Joachim Pfeiffer Foto: dpa
Der CDU-Vorsitzende im Rems-Murr-Kreis und Bundestagskollege Joachim Pfeiffer hingegen kann diese Euphorie nicht nachvollziehen. Er spricht „im besten Fall von einer an der Sache orientierten Zwangsheirat. Das ist keine Liebesheirat mit Aufbruchstimmung.“ Pfeiffer verweist auf die Rückmeldungen der Parteimitglieder: diese äußerten zu „90 Prozent große Sorgen und Bedenken“. Auch deshalb warnt Pfeiffer vor einem „falschen Automatismus“. Die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit den Grünen müssten nicht zwangsläufig in einer Regierungsbeteiligung enden. Die Chancen dafür sieht er bei „fifty-fifty“. Und unter Zeitdruck will er sich schon gar nicht setzen lassen, schließlich müsste die Parteibasis „mitgenommen werden.“ Die Union müsse sich mit ihren Grundwerten und Eckpfeilern wieder finden, etwa beim Bildungsplan, der Verkehrspolitik, Sicherheit und Wirtschaft.