Der Junge-Union-Chef Steffen Bilger landet unerwartet deutlich vor dem Ex-Kunststaatssekretär Birk -  und kündigt "einen neuen Stil" an.    

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Ein wenig verdankt es Steffen Bilger (32) vielleicht auch dem Papst, dass er so klar zum neuen Vorsitzenden der CDU Nordwürttemberg gewählt wurde. Wegen des Deutschlandsbesuchs von Benedikt XVI. war der Bezirksparteitag in Wolpertshausen (Kreis Schwäbisch Hall) um eine Woche verschoben worden. Doch viele Delegierte hatten das lange Wochenende um den Nationalfeiertag schon verplant. Also rückten etliche Ersatzleute aus den Reihen der Jungen Union (JU) nach - und die dürften durchweg für den bisherigen JU-Landeschef votiert haben.

 

Auch unabhängig von der Gunst des Termins war Bilger - seit zwei Jahren Ludwigsburger Bundestagsabgeordneter - zuversichtlich gewesen, das Duell gegen den Göppinger Landtagsabgeordneten und früheren Kunststaatssekretär Dietrich Birk (44) zu gewinnen. Aber mit einem derart deutlichen Votum hatte er nicht gerechnet: 181 Delegierte votierten für ihn als Nachfolger des früheren Europaministers Wolfgang Reinhart, nur 108 für Birk. "Es ist schön, dass auch ein junger Kandidat in der CDU so viel Vertrauen bekommt", freute sich der Sieger. Nach dem Debakel bei der Landtagswahl, so seine Analyse, habe die Basis offenbar "neue Köpfe" sehen wollen.

An Reinhart hatte sie sich - um im Bild zu bleiben - offenkundig sattgesehen. Der nicht wieder kandidierende Exminister wurde mit freundlichem, aber durchaus enden wollendem Beifall verabschiedet; er entschwand nach der Wahl seines Nachfolgers. Zuvor hatte er noch einmal die Ursachen des Machtverlusts der CDU ergründet: Schuld seien nicht nur Fukushima oder Stuttgart 21, sondern "die Performance von Partei und Spitzenkandidat" und insbesondere "das Krisenmanagement in den letzten Wochen vor dem Wahltag". Das zielte vor allem auf Stefan Mappus, dessen Namen Reinhart indes nicht in den Mund nahm.

Beide Kandidaten haben bisherigen Bezirkschef kritisiert

Auch in den Bewerbungsreden ging es - genannt oder ungenannt - um den Wahlverlierer. Er trete nicht erst seit Kurzem für eine moderne, die Mitglieder einbeziehende Parteiarbeit ein, sagte Bilger: "Auch gegenüber Stefan Mappus habe ich stets meine Meinung vertreten." Da die in manchen Punkten nicht mit dessen Meinung übereinstimmte, hatte er sich bei dem Kurzzeitparteichef gründlich unbeliebt gemacht. Der JU-Vorsitzende wurde in die Schublade der innerparteilichen Gegner einsortiert - und von Mappus über weite Strecken ignoriert. Die Begeisterung des gerade in Wahlkämpfen wichtigen Parteinachwuchses für den Spitzenkandidaten hat das nicht gerade gefördert.

Auch Dietrich Birk distanzierte sich von einem Politikstil, der durch "Machtdemonstrationen" und "Arroganz" geprägt sei; der Name Mappus fiel bei ihm jedoch nicht. Kein Wunder: der frühere Staatssekretär galt zwar als Mann Günther Oettingers, für den er als Landesgeschäftsführer 2006 den erfolgreichen Wahlkampf organisierte, er arrangierte sich aber schnell mit dem so ganz anderen Nachfolger - ein bisschen zu flexibel für den Geschmack mancher Parteifreunde.

Einig waren sich beide Kandidaten in der Kritik am bisherigen Bezirkschef Reinhart, die sie indes - ganz nach CDU-Art - nicht persönlich adressierten. Tenor: der Ex-Minister habe das Parteiamt vor allem als persönliche Machtbastion betrachtet, der Einfluss des mitgliederstärksten Bezirks sei unter seiner Führung geschwunden, die programmatische Arbeit verkümmert. "Wann gab es das letzte Mal Anträge der CDU Nordwürttemberg bei Landesparteitagen", fragte Bilger.

Sitzt der neue Vorsitzende im Bundestag oder Landtag?

Im Bezirk gehe es künftig "nicht mehr um die Verteilung von Kabinettsposten", nötig sei daher "ein neuer Stil". Auch Birk verlangte "ein anderes Verständnis" von Parteiarbeit: Man brauche keinen Vorsitzenden, "der seine innerparteiliche Macht absichern muss".

Ob der neue Vorsitzende im Bundestag oder im Landtag sitzt, spielte für die Delegierten offenbar keine Rolle. Der Göppinger Birk empfahl sich zwar als "Brücke" zur Landtags-CDU, der 23 Abgeordnete aus Nordwürttemberg angehören; er wolle eine "enge Verbindung herstellen". Doch Bilger hielt dagegen, er sei in Stuttgart und Berlin gleichermaßen gut vernetzt. Wann immer man ihn einlade, werde er präsent sein. Für Birk war es übrigens schon die zweite Niederlage nach der Landtagswahl: Bei der CDU-internen Kür für das Amt des Landtagspräsidenten unterlag er im dritten Durchgang knapp gegen Exfinanzminister Willi Stächele.