Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer hat – zumindest zeitweise – einen Kabinettsposten unter Angela Merkel ausgeschlossen. Nun wird sie die neue Verteidigungsministerin. Ein Schritt mit hohen Risiken.

Berlin - Im Schloss Bellevue bricht am Mittwoch um 11 Uhr eine neue Etappe im politischen Leben von gleich zwei Frauen an. Erst wird Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller – in Vertretung des urlaubenden Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und des verreisten Bundesratspräsidenten Daniel Günther – Ursula von der Leyen ihre Entlassungsurkunde aushändigen, wie das Bundespräsidialamt am späten Dienstagabend mitteilte. Dieser Akt war erwartet worden, denn nach ihrer geglückten Wahl zur Präsidentin der EU-Kommission kann von der Leyen ihr Amt als Verteidigungsministerin nicht mehr wahrnehmen. In der Mitteilung zu Müllers Vertretungspflichten hieß es jedoch weiter: „Außerdem überreicht er Annegret Kramp-Karrenbauer in Wahrnehmung der Befugnisse des Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundeskanzlerin die Ernennungsurkunde zur Bundesministerin für Verteidigung.“ Das war eine Überraschung.

 

AKK hat ihre Meinung geändert

Die Tür zum Bundeskabinett stand Kramp-Karrenbauer seitens der Kanzlerin zwar stets offen, seit sie von Angela Merkel im vergangenen Dezember den CDU-Parteivorsitz übernahm. Doch die Saarländerin lehnte es bislang ab, einen Platz am Kabinettstisch einzunehmen. Erst kürzlich sagte die 56-Jährige noch: „Ich habe mich bewusst entschieden, aus einem Staatsamt in ein Parteiamt zu wechseln.“ Schließlich gebe es in der CDU viel zu tun.

Nun hat Kramp-Karrenbauer ihre Meinung geändert und die Chance gesehen, die sich durch von der Leyens Wechsel nach Brüssel ergab. Mit dem Verteidigungsressort und seinen zahlreichen Problemen etwa bei der Modernisierung der Truppe, bei der Beschaffung von Rüstungsgütern oder bei der Sanierung des Segelschulschiffs Gorch Fock kommt zwar keine leichte Aufgabe auf Kramp-Karrenbauer zu. Für ihre politischen Ambitionen könnte es doch die richtige Entscheidung sein, jetzt zuzugreifen und das schwierige Ministeramt zu übernehmen.

Das Ministeramt soll ihr neuen Schwung geben

Denn will sie Merkel nach der nächsten Bundestagswahl auch als Regierungschefin beerben, muss Kramp-Karrenbauer sich in einem Ministeramt für eine Kanzlerkandidatur in Stellung bringen. Da kam die kurzfristig durch von der Leyens Abschied im Kabinett entstandene Lücke gelegen. Schließlich weiß angesichts der Spannungen in der großen Koalition und der unklaren Haltung des Koalitionspartners SPD zu dem Bündnis derzeit niemand, wie lange diese Regierung noch hält.

Der Wechsel ins Kabinett ist für Kramp-Karrenbauer auch deshalb sinnvoll, da sie als Ministerin von sich reden machen kann. Denn als CDU-Vorsitzende gab sie zuletzt mehrfach eine unglückliche Figur ab. Vor der Europawahl blamierte sich das Konrad-Adenauer-Haus erst durch seinen konfusen Umgang mit dem millionenfach abgerufenen Video des Youtubers Rezo, in dem im locker-polemischen Stil die CDU zerpflückt wird. Es folgten das schlechte Ergebnis bei der Europawahl, missverständliche Äußerungen Kramp-Karrenbauers zur Meinungsfreiheit im Netz und eine vor den drei wichtigen Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen noch immer nicht von der Parteispitze erfolgreich beendete Debatte zum Umgang mit der AfD.

Ein Sprungbrett für die weitere Karriere war das Ministerium jedoch in vielen Fällen nicht, eher ein Schleudersitz. Seit Gründung des Verteidigungsministeriums 1955 gab es 17 Ressortchefs, die durchschnittliche Amtszeit betrug nur etwas mehr als dreieinhalb Jahre. Mehrere Minister mussten zurücktreten. Wenn Kramp-Karrenbauer aber eine gute Figur an der Spitze des Verteidigungsministeriums macht, würde sie auch gegenüber parteiinternen Konkurrenten ihren Anspruch auf das Kanzleramt untermauern. Ihrem beeindruckenden Lebenslauf fügt die frühere saarländische Innenministerin und Ministerpräsidentin mit einem Amt als Bundesministerin zudem eine weitere wichtige Qualifikation für eine Anwärterin auf das Kanzleramt hinzu.

Merkel hat Kramp-Karrenbauer Anfang 2018 gezielt an ihre Seite geholt, indem sie die damalige Ministerpräsident davon überzeugte, aus Saarbrücken in die Bundeshauptstadt zu kommen und das Amt der CDU-Generalsekretärin zu übernehmen. In ihrer Bewerbungsrede auf dem CDU-Parteitag brachte AKK mit dem Ausruf „Ich kann, ich will und ich werde“ den Saal zum Kochen. Schon damals wurden diese Worte als Anspruch auf höhere Ziele verstanden. Merkel wünschte sich Kramp-Karrenbauer dann auch als Nachfolgerin auf dem Parteivorsitz. Und nun kann Merkel an ihrem 65. Geburtstag die Wunschnachfolgerin als Kanzlerin schließlich in ihre Regierungsmannschaft aufnehmen.