Ob im Bund oder im Land: Spitzenfunktionäre beim Roten Kreuz haben oft ein CDU-Parteibuch. Doch von einer Dominanz der “Schwarzen“ will die Hilfsorganisation nichts wissen: Chef der Kreisverbände kämen aus viele Parteien – nur nicht von den Grünen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Für die Politik hat Wilfried Klenk beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) viel gelernt. Wer regelmäßig mit Menschen in Not zu tun habe, der merke, worauf es im Leben wirklich ankomme, sagte er einmal. „Bescheidenheit, Bodenhaftung, Dankbarkeit, zudem Disziplin“ – all das habe ihn der Rettungsdienst gelehrt.

 

Politik und Rotes Kreuz – in beiden Sphären ist der 56-jährige CDU-Mann seit Jahrzehnten zuhause. Ausgelöst durch den frühen Tod der Mutter, engagierte er sich schon zu Jugendzeiten beim DRK. Nach der Ausbildung zum Rettungsassistenten und Zusatzkursen für Führungsaufgaben war Klenk seit 1983 in leitender Funktion tätig: erst bei der Rettungswache in Murrhardt, dann in Backnang, seit 1991 schließlich als Chef des Stuttgarter Rettungsdienstes und der Oberleitstelle Baden-Württemberg. Ehrenamtlich führte er lange den Ortsverein des Roten Kreuzes im heimischen Oppenweiler.

Auch Guido Wolf war DRK-Kreischef

Dort begann Klenk auch seine politische Karriere, zunächst seit 1980 als Gemeinderat, später als CDU-Ortsvereinschef. Seit 1999 ist er zudem Kreisrat im Rems-Murr-Kreis, seit 2001 Landtagsabgeordneter. Den 100-Prozent-Job beim Roten Kreuz und das Vollzeitmandat im Parlament brachte er nach eigenen Angaben gut unter einen Hut. Weil seine DRK-Tätigkeit nicht im operativen Bereich lag und er seine Aufgaben „unabhängig von Tageszeiten erledigen“ konnte, berichtet er stolz, habe er „nicht ein einziges Mal berufsbedingt bei einer Sitzung im Landtag gefehlt“. Erst mit der Wahl zum Landtagspräsidenten in diesem Frühjahr beendete Wilfried Klenk das Doppelleben: Gleich danach habe er mit dem Roten Kreuz einen Auflösungsvertrag geschlossen.

Ein bis dahin hauptamtlicher DRK-Mann auf dem protokollarisch zweithöchsten Posten in Baden-Württemberg – das war ein Novum. Enge Verbindungen zu der Hilfsorganisation aber haben in der Landespolitik, zumal in Klenks Partei, lange Tradition. Auch sein Vorgänger als Landtagspräsident, der heutige CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf, hatte einen besonderen Bezug zum Roten Kreuz. Als Landrat in Tuttlingen war er dort zugleich DRK-Kreisvorsitzender. Direkt mit dem Rettungsdienst kam Wolf freilich nur in Berührung, wenn er einmal eine Nachschicht mit den Helfern verbrachte – samt Bericht und Foto in der Lokalzeitung. Solche Einblicke in die Praxis finde er „sehr wichtig“, bekundete er danach.

Mehrere Abgeordnete mit DRK-Posten

In der Landtags-CDU gab und gibt es manche Kollegen, mit denen Wolf und Klenk übers Rote Kreuz fachsimpeln konnten. Bis 2011 saß dort etwa Hans Heinz, im Hauptberuf seit dem Jahr 2000 Landesgeschäftsführer des DRK Baden-Württemberg. Auch der Biberacher Abgeordnete Peter Schneider fand neben seinem Hauptjob als Sparkassenpräsident in Stuttgart noch Zeit, sich daheim als DRK-Kreisvorsitzender zu engagieren. Im Kreis Reutlingen führte der Abgeordnete Dieter Hillenbrand lange das Rote Kreuz - auch dann noch, als er Staatssekretär im Sozialministerium wurde. Heute ist er „rettungsdienstpolitischer Sprecher“ der Fraktion, sein Nachfolger in Reutlingen wurde der FDP-Mann Andreas Glück.

Im Nachbarwahlkreis Tübingen verfehlte die DRK-Kreisvorsitzende Lisa Federle 2011 nur knapp den Sprung in den Landtag. Ihre Popularität in der grünen Unistadt verdankt sie ihrem langjährigen Einsatz als Notärztin. Die CDU profitierte davon, als Federle 2009 – noch als Nichtmitglied – für den Gemeinderat kandidierte und prompt ein Spitzenergebnis holte.

Als „Gutmensch“ punkten für die Politik

So selbstlos das Engagement beim DRK auch sein mag, der politischen Karriere schadet es gewiss nicht. Politiker würden ja stets auch kritisch beäugt, berichtet ein CDU-Mann und einstiger Kreisvorsitzender, das Wirken beim Roten Kreuz hingegen finde fast durchweg ungeteilten Beifall. Regelmäßig als „Gutmensch“ in der Zeitung zu stehen sei mit Blick auf Wahlen durchaus hilfreich. Umgekehrt seien Abgeordnete mit ihren Verbindungen wertvoll für das DRK, etwa weil sie wüssten, wo und wie man an Zuschüsse komme. Eine klassische Win-win-Situation also, wo beide Seiten profitieren?

Zumindest einer sieht das nicht so: Joachim Spohn von der Bürgerinitiative Rettungsdienst, die sich für eine bessere Notfallrettung einsetzt. Seit Jahren thematisiert Spohn die engen Verflechtungen zwischen der CDU und dem Roten Kreuz, die bereits Jahrzehnte zurückreichten. Sie seien ein Hauptgrund für die beispiellose Dominanz des DRK im Südwesten. Bei den Leitstellen und im Rettungsdienst habe es fast ein Monopol, andere Hilfsorganisationen spielten nur eine Nebenrolle.

Kritik an der Selbstverwaltung

Dem Kritiker missfällt vor allem die besondere Konstruktion der „Selbstverwaltung in Selbstkontrolle“, die es so nur in Baden-Württemberg gebe. Sie führe zu Ineffizienz, Intransparenz und Interessenkonflikten – etwa wenn ein Landrat gleichzeitig DRK-Kreischef sei und die Rechtsaufsicht über den Rettungsdienst führe. Das Zusammenspiel zwischen CDU-Politikern und der DRK-Führungsebene, rügte der Initiativensprecher, habe die „Privilegierung eines einzigen Verbandes“ zur Folge.

Beim Roten Kreuz will man von einer übergroßen Nähe zur CDU indes nichts wissen. Gewiss, der Bundesverband wird seit 2003 vom einstigen CDU-Minister Rudolf Seiters geführt. Auch an der Spitze der beiden Organisationen im Südwesten stehen Christdemokraten: den Landesverband Baden-Württemberg leitet Lorenz Menz (80), einst Chef der CDU-geführten Staatskanzlei, das für Südbaden zuständige Badische Rote Kreuz der frühere Freiburger Landrat Jochen Glaeser. Doch das Parteibuch, versichert Menz, spiele beim DRK „keine Rolle“. Wichtig sei es, dass Politiker – gleich welcher Farbe – vom Ehrenamt nicht nur redeten, sondern sich auch selbst ehrenamtlich engagierten.

SPD-Mann hörte als Schatzmeister auf

Unter den Kreisvorsitzenden, berichtet sein Geschäftsführer und Parteifreund Heinz, gebe es etwa genauso viele Christ- wie Sozialdemokraten; nur Grüne seien leider nicht darunter. Auch in Südbaden heißt es, in den Leitungsfunktionen bilde sich „nahezu das gesamte demokratische Parteienspektrum“ ab; neben parteilosen Kreischefs gebe es solche von CDU, SPD, FDP und Freien Wählern. Deutlich rückläufig ist die Zahl der Landräte, die gleichzeitig einen Rot-Kreuz-Verband führen: zwei sind es in Südbaden, nur noch einer ist es in Württemberg. Sie achteten penibel darauf, Interessenkonflikte zu vermeiden, wird in Stuttgart wie Freiburg versichert.

Als Beleg für die parteipolitische Pluralität wurde bisher gerne auf einen SPD-Mann im Landesvorstand verwiesen: der Göppinger Abgeordnete Peter Hofelich amtierte dort bis vor kurzem als Schatzmeister. Doch mit dem Engagement war für Hofelich – ähnlich wie bei Wilfried Klenk – Schluss, als er in der Landespolitik Karriere machte: Mit dem Amtsantritt als Staatssekretär im Finanzministerium gab er das Ehrenamt auf. DRK-Kreisvorsitzender in Göppingen aber ist er geblieben.