Die CDU will den Not leidenden Bürgerservice verbessern. Sie fordert Terminals, an denen die Menschen zu jeder Zeit Dokumente abholen können, und obendrein die Zustellungsmöglichkeit per Kurier.

Folgt Stuttgart jetzt dem Beispiel anderer Städte und ermöglicht es den Einwohnern, Ausweise und andere Dokumente an automatisierten Ausgabeschaltern abzuholen oder sie von Fahrradkurieren zustellen zu lassen? Einen entsprechenden Antrag hat die CDU-Gemeinderatsfraktion am Dienstag auf den Weg gebracht. Sie fordert nun eine rasche Umsetzung – wenn der Gemeinderat zustimmt. Der Erste Bürgermeister Fabian Mayer (CDU) würde es im Moment noch lieber sehen, dass den Menschen neue Ausweise künftig von der Bundesdruckerei direkt zugestellt werden.

 

Zustellungen durch Fahrradkuriere und mit Elektroautos werden beispielsweise in Bonn und Mannheim vermittelt. Und Abholterminals machen in diversen Städten Schule, auch in der Region Stuttgart: in Ludwigsburg versuchsweise, außerdem in Leonberg, Ditzingen und Korntal-Münchingen. Wer seinen Ausweis oder eine Familienurkunde zu einer x-beliebigen Tageszeit an einem Terminal ähnlich einer Paketstation  abholen will, der  muss allerdings zur Beantragung noch vielfach bei der Behörde vorsprechen – denn der Antragsteller muss sich dann einen Fingerabdruck nehmen lassen, damit er später den Schalter der Anlage öffnen kann, indem er eine PIN eingibt und den Finger scannen lässt.

Von Januar an Online-Anträge in Stuttgart-Mitte?

In Stuttgart kann man momentan Ausweise auch noch nicht wirklich online beantragen – aber das soll sich ändern. Im Januar will die Verwaltung zwei Geräte vermutlich beim Bürgerbüro Mitte platzieren, an denen auch biometrische Fotos und Fingerabdrücke erstellt werden können. Getestet wurde das bereits 2018 in Stuttgart-Ost mit einem Gerät der Bundesdruckerei. Abholterminals wären dann eine konsequente Ergänzung.

Die CDU hält sie zusammen mit anderen Maßnahmen für nötig, damit der Bürgerservice aus den Schwierigkeiten und den Negativschlagzeilen herauskommt, damit die Dauerbeschwerden abebben und die Menschen nicht auch noch stundenlang warten müssen, wenn sie den Ausweis abholen wollen. Denn akute Personalknappheit und Arbeitsspitzen, etwa durch die Anmeldung von Flüchtlingen, führen dazu, dass der Service überfordert ist. In Dienststellen wie der Kfz-Zulassungs- und Führerscheinstelle oder der Ausländerbehörde ist das auch seit Jahren so. In dem nach Einwohnerzahlen zweitstärksten Bezirk, dem Stuttgarter Westen, ist das Bürgerbüro seit rund einem halben Jahr dicht. Änderungstermin: weiterhin unbekannt. In Degerloch musste soeben die außerordentliche Schließung um rund zwei Monate bis zum Jahresende verlängert werden. Die massiven Klagen haben inzwischen dazu geführt, dass OB Frank Nopper (CDU) eine Task-Force einrichten musste, eine Arbeitsgruppe mit mehreren Bürgermeistern und Ämtervertretern, die unter dem Vorsitz des für allgemeine Verwaltungsfragen und Digitalisierung zuständigen Bürgermeisters Mayer tagt und auf Hochdruck Verbesserungen ausloten und beschließen soll.

Massive Klagen haben eine Task-Force erzwungen

Mit Abholterminals hat sich die Verwaltung nach Mayers Worten bereits früher befasst, sie aber wieder zurückgestellt. Denn auf Veranlassung des Bundesinnenministeriums soll die Bundesdruckerei prüfen, ob sie Ausweise und Führerscheine auch direkt an Antragsteller verschicken könnte. Mayer hofft, dass es in einigen Wochen ein positives Ergebnis gibt. Das könnte eine „dramatische Verbesserung“ sein, hofft er. Es könne der Verwaltung die Vorbereitung der Abholungen an Terminals und das Befüllen der Schalter ersparen. Das sei ein größerer Aufwand als die Bereithaltung von Dokumenten an eigens für die Abholung unterhaltenen Schaltern, die es freilich vor allem aus Platzgründen nur in einigen Bürgerbüros geben kann.

Esslinger Verwaltung ist zunächst skeptisch

Der Verwaltungsaufwand war übrigens auch ein Grund dafür, weshalb die Verwaltung in Esslingen am Neckar nach einer ersten Prüfung vom Abholterminal abriet. Zudem müsse man pro Terminal mit Kosten von 25 000 bis 40 000 Euro rechnen, jährlich mit 2500 Euro für die Software-Lizenz.

Stuttgart hätte ein Mehrfaches dieses Aufwands zu tragen. Dennoch favorisiert die CDU die flächendeckende Aufstellung von Terminals, zuerst zur Bereitstellung von Ausweispapieren, dann auch für andere Dokumente. Sie will noch vor Weihnachten erste Infos von der Verwaltung dazu. Bürgermeister Mayer sagte unserer Zeitung: Sollte die Lösung mit der Bundesdruckerei scheitern, werde man die Überlegungen für Abholterminals auf jeden Fall reaktivieren und vorantreiben. Man würde dann wohl nicht gleich alle Bürgerbüros dafür vorsehen, aber ein Pilotprojekt. So wird es wohl kommen, denn das Bundesinnenministerium konnte unserer Zeitung am Dienstagnachmittag keine schnelle Lösung ankündigen.

Innenministerium betont den Zeitbedarf

Eine Sprecherin sagte, man wolle diese Möglichkeit anbieten, doch handele sich um ein komplexes Vorhaben, das innerhalb der Bundesdruckerei GmbH viele interne Änderungen erforderlich mache und auch wesentliche Auswirkungen auf die gewohnte Praxis in den Pass-, Ausweis- und Ausländerbehörden entfalte. Die erforderlichen technischen und rechtlichen Änderungen seien in der Erarbeitung. Nach einer Zustimmung des Gesetzgebers zu den vorgeschlagenen Direktversand-Regelungen werde ein konkreter Projektplan für die Umsetzung mit der Bundesdruckerei aufgestellt.

Und was die Kuriereinsätze mit Fahrrad oder Elektromobil angeht, die die CDU mit einem externen Partner realisieren möchte: Darüber wird die Task-Force im Rathaus wohl auch schon bei ihrer nächsten Sitzung am Freitag diskutieren. Dieser Ansatz gilt als rascher realisierbar.

Die Lage im Bürgerservice

Bürgerbüro West
Wenig Hoffnung macht der Erste Bürgermeister Fabian Mayer auf die baldige Wiedereröffnung des vor rund einem halben Jahr geschlossenen Bürgerbüros Stuttgart-West. Sie wolle man zwar möglichst schnell ermöglichen, aber einen Termin könne man nach wie vor nicht nennen. Er verstehe den Unmut im Westen, sagte Mayer. Doch es fehle immer noch an Personal. Und wenn man wieder öffne, könne es nicht nur zwei Tage Bestand haben. „Das muss dann stabil sein.“

Personalsituation
Die Bürgerbüros seien nach wie vor in einer misslichen Lage – „wie zwischen Hammer und Amboss“, sagt Mayer. Der Krankenstand sei wegen Corona hoch, die Nachfrage nach Dienstleistungen in diesem Jahr hoch, und viele Stellen könne man nach wie vor nicht besetzen. In letzter Zeit habe man zwar einige neue Mitarbeitende einstellen können, doch die Einarbeitung dauere rund ein halbes Jahr. Um sie zu beschleunigen, nehme man noch im Dezember provisorisch ein Aus- und Fortbildungszentrum in Betrieb. So groß wie gewünscht, nämlich dreimal so groß, wird es allerdings wohl frühestens 2024 sein können.