Der Rückzug von CDU-Fraktionschef Reinhart bringt einen Mittelstandsverband in Zugzwang: Mit dem Politiker verabschiedete sich auch der prominent besetzte wissenschaftliche Beirat. Auch Thomas Strobl hat sein Beiratsmandat abgegeben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (BVMW) ließ Wolfgang Reinhart nur schweren Herzens ziehen. Man hätte ihn „gerne weiter als Bundesgeschäftsführer gehalten“, bekundete die Lobbyorganisation, als der CDU-Politiker aus Baden-Württemberg nach nicht einmal einem Jahr seinen Rückzug verkündete. Doch die Tätigkeit in Berlin, gleichsam als rechte Hand des Präsidenten Mario Ohoven, sei „von Anfang an limitiert gewesen“. Der Tauberbischofsheimer CDU-Abgeordnete habe sich stets vorbehalten, für den Landtagswahlkampf wieder auszusteigen. Reinhart bleibe dem Verband freilich „weiterhin eng verbunden“, tröstete man sich in einer Pressemitteilung vom Januar – als Berater und als Mitglied im wissenschaftlichen Beirat.

 

Nun, wenige Monate später, klingt es ein wenig anders. „Prof. Dr. Wolfgang Reinharts Mitgliedschaft ruht seit Januar dieses Jahres, da der wissenschaftliche Beirat derzeit reorganisiert wird“, teilte ein Verbandssprecher auf StZ-Anfrage mit. Doch es scheint eher umgekehrt zu sein: Nach dem Rückzug des CDU-Mannes hat sich das gerade erst etablierte, hochrangig besetzte Gremium bereits wieder aufgelöst. Nun fahndet der Verband nach neuen Persönlichkeiten, um es möglichst bald wiederzubeleben.

Große Pläne mit der Expertenrunde

Dabei hatte der Präsident Ohoven große Pläne mit der Expertenrunde. Ähnlich wie der politische Beirat – in dem bis vor Kurzem der CDU-Landeschef Thomas Strobl saß – solle es die Arbeit des Verbandes unterstützen. Man schaffe damit ein „Frühwarnsystem für den Mittelstand“ und wolle Themen aufspüren, „die noch nicht die Schlagzeilen beherrschen, aber schon bald für Bürger und Betriebe wichtig werden“. Dazu zähle etwa die Zukunft des Sozialstaats in der digitalisierten Wirtschaft. „Führende Ökonomen“ hätten sich für den Beirat gewinnen lassen, frohlockte Ohoven – vorneweg der einstige Wirtschaftsweise Bert Rürup und der Freiburger Finanzwissenschaftler Bernd Raffelhüschen. Treibende Kraft hinter dem Thinktank war offenbar Reinhart – nicht nur konzeptionell, sondern auch bei der Besetzung. Mit Rürup ist der inzwischen zum CDU-Fraktionschef aufgestiegene Ex-Minister seit Langem persönlich befreundet. Wiewohl seit fünfzig Jahren SPD-Mitglied, unterstützte der Professor ihn sogar mit einem Auftritt im Landtagswahlkampf: Im Februar war er das Zugpferd bei einem CDU-Mittelstandsforum in einem Autohaus. Auch in seinem Wahlprospekt wies sich Reinhart als Mitglied des wissenschaftlichen Beirates von Rürup aus, ohne freilich die Verbindung zum Verband zu erwähnen. Auch andere Mitglieder des Beirates ließen sich offenbar von dem bestens vernetzten CDU-Mann gewinnen – nebst Raffelhüschen etwa der US-Ökonom Michael Burda oder der Meinungsforscher Hermann Binkert.

Mit dem Rückzug aus der Geschäftsführung und dem Ruhenlassen des Beiratsmandates wollte Reinhart im Wahlkampf offenbar Angriffsflächen vermeiden. Offiziell hatte er sich höchst positiv über den Kurzzeitjob geäußert, der ihm „sehr viel Freude bereitet“ habe. Er musste aber auch einiges Unangenehme abwehren – nicht nur Kritik an seiner Doppelrolle als Abgeordneter und Lobbyist, sondern vor allem Zweifel an der Seriosität des Verbandes.

Zweifel an der Seriosität des Verbands

Diese Zweifel hatte das „Handelsblatt“, offenbar von Ohoven-Gegnern munitioniert, im vorigen Herbst mit einer mehrseitigen Enthüllungsgeschichte geweckt. Unter der Überschrift „Der Schein-Riese“ wurde da die Frage aufgeworfen, ob sich der BVMW nicht zu Unrecht als „Stimme des Mittelstands“ aufspiele: Die offiziellen Mitgliederzahlen – angeblich 270 000 Unternehmen mit gut neun Millionen Mitarbeitern – seien maßlos übertrieben, in Wahrheit gebe es nur 15 000 echte Mitglieder. Ohoven ließ vehement dementieren und wehrte sich mit einem eigens bestellten Bericht eines Wirtschaftsprüfers. Es sei „ein verzerrtes und teilweise nachweislich falsches Bild“ des Verbandes gezeichnet worden. Gleichwohl musste der Verband viele Fragen aus der Politik beantworten. Der Geschäftsführer Reinhart, sagen Insider, sei in dieser Zeit hauptsächlich „Krisenmanager“ gewesen.

Sein Parteichef Strobl will sich heute nicht mehr dazu äußern, wie er die Vorwürfe gegen den BVMW bewertet. Er teilte auf Anfrage der Stuttgarter Zeitun lediglich mit, dass er die Mitgliedschaft im politischen Beirat nach gut zwei Jahren mit der Berufung zum Innenminister und Vizepremier beendet habe.

Da Wolfgang Reinhart nicht der neuen Landesregierung angehört, könnte er seine Mitgliedschaft im wissenschaftlichen Beirat des Verbandes wieder aufleben lassen. Noch hält sich der CDU-Fraktionschef das offen: Es sei abhängig von der künftigen Besetzung des Gremiums.