Der CDU-Staatssekretär Jens Spahn hält sich beim Auftritt in Fellbach mit Kritik an der Kanzlerin zurück.

Fellbach - Merkel-kritisch, konservativ, kanzlertauglich: Eigentlich reicht schon eines dieser Attribute, um sich dieser Tage als CDU-Redner zu empfehlen. Jens Spahn, dem man gern alle drei anheftet, blickt in der Fellbacher Alten Kelter also in 1500 erwartungsvolle Gesichter. So ganz wird der 37-Jährige seinem Ruf allerdings nicht gerecht, die Merkel-Müden kommen jedenfalls nicht auf ihre Kosten.

 

Konservativ – das ja. Der Münsterländer hat eigens sein Trachtenjanker aus dem Schrank geholt, das sitzt ihm und seiner Rhetorik wie angegossen. „Wir müssen trotz der großen Koalition die fundamentalen Unterschiede im Denken deutlich machen“, ruft er und kündigt an, dies auch bei Bundestagsdebatten zu exerzieren.

Spahn fordert, die Grenzen besser zu schützen – und erhält viel Beifall

Auch auf der Gefühlsklaviatur versteht der junge Mann zu spielen, beschwört „Traditionen“ und „das Bedürfnis nach verlässlichen Dingen im Alltag“. Bisweilen sind da sogar Anklänge an AfD-Sprüche vernehmbar, wenn er etwa sagt: „Dieses Multikulti der 68er, das ist durch. Das haben die Menschen satt.“ Nicht alles, was bei Zuwanderern kulturell anders sei, sei auch eine Bereicherung.

Dabei will er sich doch von der AfD ausdrücklich abgrenzen, diese gar „überflüssig machen“. Und dann dekliniert der Noch-Staatssekretär durch, wo der konservative Markenkern bei der CDU zu finden sei – in der Bildungspolitik etwa, wo man von der schädlichen Fixierung aufs Abitur abrücken müsse. Oder in der Familienpolitik, wo man die Eltern-Kind-Beziehung fördern möge. Vor allem aber in der Europa- und Zuwanderungspolitik: Als Spahn fordert, die Grenzen besser zu schützen, erhält er am meisten Beifall.

Ja, die Union habe zuletzt viel Vertrauen verloren, viele Wähler hätten sich zum Protest auf der rechten und linken Seite entschlossen. Doch mit der Bundeskanzlerin bringt Spahn das in keinem Wort in Verbindung. Es gehe jetzt nicht darum, Wunden zu lecken, sondern Zukunftsthemen anzupacken, sagt der groß gewachsene Mann und nimmt einen Schluck Bier aus der obligatorischen Halben.

Spahn lässt nicht erkennen, ob er mit der CDU-Ausbeute unzufrieden ist

„Machen“ steht auf den CDU-Bierdeckeln gedruckt, auf denen die Besucher im Saal ihre Gläser abstellen und die auf der Rückseite gleichzeitig als Mitgliedsantrag dienen. Die Worte „kneifen, zaudern, nörgeln und pöbeln“ sind auch darauf zu lesen, diese sind aber sorgsam durchgestrichen.

„Von der SPD lernen heißt nicht siegen lernen“, hat kurz vor Spahn der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl vom Podium gerufen und die Personalquerelen des Koalitionspartners als „abschreckend und unwürdig“ gegeißelt. Der Gastredner wirft den Genossen Ränkespiele wie im „Denver-Clan“ vor. Es sei schon verrückt, wie diese „um die Macht herumtänzeln“, während sich Politiker in aller Welt wünschten, in einem so prosperierenden Land wie der Bundesrepublik mitzuregieren.

Nicht mal in Andeutungen lässt Spahn erkennen, ob er mit der CDU-Ausbeute der Koalitionsverhandlungen unzufrieden sei. Schon gar nicht mit Blick auf das Personaltableau der Kanzlerin, das in Berlin kursiert – und auf dem man den Namen Spahn vergeblich sucht. Doch vielleicht weiß er ja schon mehr.