Wieder Streit um den neuen Bildungsplan: Von August an sollen die neuen Grundlagen für den Unterricht gelten. Kultusminister Stoch treibt das Verfahren voran. Das ärgert die CDU – so kurz vor den Koalitionsverhandlungen.

Stuttgart - Noch einmal empört sich die Opposition über den Bildungsplan. Der Kultusminister Andreas Stoch (SPD) hat die Endfassung der künftigen Grundlagen für den Schulunterricht abgezeichnet. Nun kann der Plan wie vorgesehen zum neuen Schuljahr, das formal am 1. August beginnt, in Kraft treten. Der Plan hatte besonders wegen der Leitperspektive „Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt“ die Gemüter erhitzt. Kritiker hatten dahinter eine Frühsexualisierung der Kinder vermutet. Dass der Kultusminister den Plan jetzt auf den endgültigen Weg bringt, missfällt unter anderen Georg Wacker, dem bildungspolitischen Sprecher der CDU. Er nannte es eine „stilistische Frage“ wenige Tage vor Beginn der Koalitionsverhandlungen zu einer neuen Regierung das Werk in Kraft zu setzen.

 

Kultusministerium wehrt sich

Das Kultusministerium hält dagegen: Alle Beteiligten, auch die bildungspolitischen Sprecher der Fraktionen, seien ausführlich darüber informiert worden, dass die Bildungspläne „im März oder April finalisiert werden müssen“. Nur dann könnten sie allen Lehrkräften rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden und zum kommenden Schuljahr in Kraft gesetzt werden. Vor der Landtagswahl am 13. März hatten bereits Kritiker gestreut, das Ministerium wolle die Pläne noch rasch vor der Wahl ins Werk setzen. Eine Sprecherin Stochs sagte, es wäre konstruiert, einen Zusammenhang mit der Wahl herstellen zu wollen. Die Freigabe sei ein Verwaltungsakt und bedeute den Abschluss eines mehrjährigen Prozesses, dessen zeitlicher Ablauf auch der CDU bekannt gewesen sei, schließlich sei auch sie Mitglied im Beirat zu den Bildungsplänen. Im Beirat, der die Entstehung der Pläne begleitet, sind laut Ministerium neben den bildungspolitischen Sprechern der Landtagsfraktionen Repräsentanten der Kirchen, der Wirtschaft, der Hochschulen und der Lehrerverbände. Dieser Beirat habe am 4. Dezember getagt, damals sei der Zeitplan mitgeteilt worden.

Fortbildung läuft bereits

Die Lehrer werden bereits für die Umsetzung des neuen Basiswerks fortgebildet. Am kommenden Mittwoch werden bei einem Kongress des Ministeriums zum Bildungsplan 800 Teilnehmer in Fellbach erwartet. Zumeist Lehrkräfte und Schulleiter werden sich in verschiedenen Foren mit der Umsetzung der Pläne und einzelnen Schwerpunkten befassen. Der Umgang mit Heterogenität steht ebenso auf der Tagesordnung wie sonderpädagogische Bildungsangebote oder die Leitperspektiven nachhaltige Entwicklung und Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt. In einer Podiumsdiskussion wird Kultusminister Stoch im Rahmen des Kongresses mit Schulleitern über pädagogische Erfahrungen aus der Erprobungsphase diskutieren. Zu Wort kommen auch Vertreter des Landesschulbeirats, des Eltern- und des Schülerbeirats in Baden-Württemberg.

Anders als die emotionale Debatte um die Leitperspektive Akzeptanz von Vielfalt vermuten lässt, sind die Rückmeldungen zu den Plänen nach Auskunft des Kultusministeriums sehr differenziert und sachorientiert. So sei zum Beispiel im Bildungsplan explizit formuliert worden, dass Schüler mit und ohne Vorkenntnisse am Ende der sechsten Klasse im Fach Englisch den gleichen Lernstand haben sollen. Das bezieht sich darauf, dass Grundschüler entlang der Rheinschiene in der Grundschule keinen Englisch-, sondern Französischunterricht haben. Im umstrittenen neuen Schulfach Wirtschaft ist der Begriff des Gemeinwohls nach der Anhörungsphase neu in die Leitgedanken für das Fach aufgenommen worden.