Nirgendwo in Baden-Württemberg hat die CDU mehr Anhänger als im 200-Seelen-Ort Grundsheim. Bei der Landtagswahl 2011 heimsten die Christdemokraten 81,9 Prozent ein. Doch die Einwohner wollen nicht berühmt sein.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Stuttgart/Grundsheim - Alle fünf Jahre, wenn der Landtagswahlkampf Fahrt aufzunehmen beginnt, kommen die Trüffelsucher des politischen Journalismus auch ins oberschwäbische Grundsheim im Alb-Donau-Kreis. Sie strecken die Nase in den Wind, lauschen dem Dröhnen unsichtbarer Traktoren, das der Wind über die Dächer trägt, und wittern nach dem Geruch des Erfolgs, den die CDU hier auf schon historische Weise immer wieder einfährt. Die Statistik weist die Fährte. Im Jahr 2011 heimsten die Christdemokraten zuletzt 81,9 Prozent im Dorf ein, das war erneut der Höchstwert im Südwesten. Das zeigt auch der Baden-Württemberg-Atlas der Stuttgarter Zeitung unter www.bwatlas.de.

 

Vom magischen Rezept, das womöglich die ganze Landespartei zurück in die Regierungsverantwortung führen könnte, war bisher aber nichts zu lesen, weil es offensichtlich nicht zu finden war. Ein ordentlicher Journalist bringt trotzdem eine griffige Story mit nach Hause, zumal, wenn er mühsam aus dem hohen Norden angereist ist, von der „taz“ zum Beispiel oder der Augstein-Onlinezeitung „Der Freitag“. Keine Organe, wie man weiß, die der bürgerlichen Familie in Deutschland am nächsten stehen, und entsprechend wurde Grundsheim in den Veröffentlichungen wahlweise zum „schwarzen Näscht“ (Freitag) oder, ironisch gefärbt, zum „schwarzen Paradies“ (taz).

Der Quadratmeter Bauland kostet um die 35 Euro

Vor fünf Jahren hat der ehrenamtliche Bürgermeister Uwe Handgrätinger, der auch die Nachbargemeinde Oberstadion zu betreuen hat, noch etwas über sein Dorf erzählt, aber nachdem er sich der Lächerlichkeit preis gegeben wähnte, will er sich für kein Gespräch mehr hergeben. Die Stuttgarter Zeitung sei auch nicht besser, bescheidet er, habe vor fünf Jahren über das große Holzkreuz am Ortseingang mit der Aufschrift „RETTE DEINE SEELE“ schwadroniert und den langjährigen örtlichen Landtagsabgeordneten Karl Traub als „weißhaarig“ bezeichnet. Die StZ, sich solcher Sakrilegien nicht bewusst, hatte das tatsächlich geschrieben.

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Bei einem neuerlichen Ortsbesuch ist das Holzkreuz immer noch da, aber auch das eine oder andere frisch erbaute Wohnhaus. Um die 35 Euro kostet hier der Quadratmeter Bauland. So ist es immerhin bei rund 220 Einwohnern geblieben, ebenso beim Mittagsgeläut der katholischen Barockkirche St. Martin mit dem prächtigen Pfarrhaus nebenan und der Ruhe auf den Straßen, während die meisten Erwerbstätigen beim Kranbauer Liebherr in Ehingen, beim Handtmann in Biberach oder einem der anderen großen Betriebe der Region schaffen.

Seit 2013 ist das Dorf mit dem Internet verbunden

Eine ganze Reihe aufgegebener landwirtschaftlicher Betriebe im Ort erinnert an die Welt von gestern, aber der große Spielplatz in der Ortsmitte mit dem zerwühlten Boden rund um die Spielgeräte sieht aus wie ein Sinnbild für die Zukunft. Eine Frau spielt mit ihrem zweijährigen Sohn am Trinkwasserbrunnen vor dem Rathaus. Sie lebe gern hier, sagt sie, das sei ein guter Ort zum Aufwachsen, und Oberstadion, wo es einen Kindergarten gibt, könne man mit dem Auto im Handumdrehen erreichen.

Ein Lebensmittelgeschäft, eine Postannahmestelle oder einen Bankomaten sucht man in Grundsheim weiterhin vergeblich, aber auf dem Feld der Kommunikation hat die Moderne in den vergangenen fünf Jahren, in denen Grün-Rot in Stuttgart am Ruder war, doch Einzug gehalten. Das Dorf ist seit 2013 mit dem Internet verbunden. Bloß: Kretschmann und Co. haben daran eher wenig Anteil.

Die Telekom hat es dann wahr gemacht

Die Verwaltungsgemeinschaft Munderkingen, zu der Grundsheim zählt, war es, die in Eigeninitiative Äcker aufgraben und Leerrohre legen ließ, und dann kam die Telekom und hat tatsächlich die nötigen Kabel gezogen. So erzählt es ein Grundsheimer Nebenerwerbslandwirt, der einen ganzen Stapel Schraubzwingen so leicht auf dem Unterarm durch die Hauptstraße trägt, als handle es sich um ein Tabaktäschchen.

Ob wieder über die „schwarzen Zigeuner“ geschrieben werden solle, fragt der Mann, immerhin mit einem Lachen, und dann erzählt er weiter, wie der Karl Traub sich schon immer um die Leute hier gekümmert habe und vor Traub der Abgeordnete Ventur Schöttle und dass man das vom nächsten konservativen Landtagskandidaten, dem jungen Ehinger CDU-Ratsfraktionsvorsitzenden Manuel Hagel, ebenfalls erhoffe.

Keiner kann hier so richtig erklären, warum man CDU wählt

Auf der anderen Dorfseite parkt eine Frau ihr Auto aus der Garage, sie liebt die Natur, sagt sie. „Man ist hier schnell im Grünen, zu Fuß oder mit dem Fahrrad“. Die Politik interessiert sich nicht so sehr. Auf einer Wiese neben dem Ortsschild grasen (keine politische Anspielung!) würdig zwei Esel, sie berühren mit ihren Nüstern die Hand, das ist ein seltenes, schönes Gefühl. Und dann geht es schon wieder hinaus aus Grundsheim, dem kleinen katholischen Dorf, in dem fast alle schon immer die CDU wählen und keiner so recht erklären kann, warum.

Wieder kein Rezept also. Aber dass die Grundsheimer vermutlich nichts dagegen hätten, wenn sie im CDU-Wählerranking diesmal auf Platz zwei oder so landen würden, das immerhin ist klar geworden. Dann wäre die Ruhe hier vollkommen.