Der Kreisvorsitzende Michael Föll ruft seine Partei nach dem Desaster zur Geschlossenheit auf. Und will im Mai sein Führungsamt abgeben.

Stuttgart - Seit der Gründung des Südweststaates im Jahr 1952 hat es so etwas noch nie gegeben: die Stuttgarter Christdemokraten verlieren bei einer Landtagswahl drei ihrer vier Direktmandate und sind – zumindest für eine Wahlperiode von fünf Jahren – nur mit einem einzigen Abgeordneten im Landtag vertreten. Klamme Zeiten, die hat die Stuttgarter CDU immer wieder einmal erlebt: 1968 und 1972 beispielsweise schafften jeweils nur zwei Abgeordnete den Sprung ins Parlament. Aber jetzt ist die fast sechzig Jahre währende Vorherrschaft der CDU in ganz Baden-Württemberg erst einmal dahin. Nun müssen auch die Stuttgarter CDU’ler, die von ihrem Landesverband schon seit Jahren äußerst kritisch gesehen werden, damit fertig werden. Erste Konsequenzen zeichneten sich am Montagabend bereits ab. Michael Föll, der Kreisvorsitzende und Stadtkämmerer, sagte gegenüber der Stuttgarter Zeitung: „Ich habe schon schönere Tage erlebt als diesen Wahlsonntag. Das war eine herbe Niederlage für uns, da rede ich gar nicht drum herum.“ Er selbst stehe zu der politischen Verantwortung, die er persönlich für dieses Ergebnis trage.

 

Kurz bevor der Kreisvorstand am Abend in der CDU-Geschäftsstelle am Rotebühlplatz zusammentrat, um über den Wahlausgang und die weiteren Schritte zu diskutieren, gab Michael Föll dann überraschend eine schriftliche Erklärung ab: „Um die Kreispartei für die zukünftigen politischen Herausforderungen besser aufzustellen, halte ich einen personellen Neuanfang an der Spitze für notwendig. Deshalb werde ich dem Kreisvorstand vorschlagen, dass ich den Kreisvorsitz abgebe und auf einem Kreisparteitag im Mai oder Juni ein neuer Vorsitzender gewählt wird.“

Föll will politisch aktiv bleiben

Er selbst, so Föll, werde politisch aktiv bleiben und sich, wie angekündigt, im kommenden Herbst um die Wiederwahl als Erster Bürgermeister und Stadtkämmerer bewerben. Aus dieser Bewerbung ergebe sich, so betonte Föll ausdrücklich, „dass ich für anderweitige Aufgaben nicht zur Verfügung stehe“. Gemeint ist damit eine Kandidatur um das Amt des Oberbürgermeisters, für die Föll in der Vergangenheit auch immer wieder als ein möglicher CDU-Bewerber genannt worden war.

Für Montagabend hatte Föll zu einer Sitzung des Kreisvorstandes in die Geschäftsstelle am Rotebühlplatz geladen und noch am Mittag gegenüber der StZ erklärt: „Wir werden mehr Zeit brauchen als nur diesen einen Abend, um die Niederlage zu analysieren.“ Er habe „nicht die Absicht, zurückzutreten“, vielmehr gehe er davon aus, „dass das im Kreisvorstand kein Thema sein wird“. Die Stuttgarter CDU müsse „gerade in der Niederlage enger zusammenrücken, nur mit Geschlossenheit kommen wir aus dieser Niederlage auch wieder heraus.“ Unter dem Eindruck des Rücktritts von Stefan Mappus als Landesvorsitzender der CDU am frühen Abend hat sich Michael Föll dann offenbar kurzfristig anders entschieden. Noch Stunden vorher hatte er darauf hingewiesen, dass er als CDU-Kreisvorsitzender bis zum Sommer 2012 gewählt sei. Jetzt wird dieser Parteitag um ein Jahr vorgezogen – die Stuttgarter Christdemokraten müssen sich einen neuen Kreisvorsitzenden suchen.

Einer der in der CDU-Kreispartei keine aktive Rolle mehr spielt, ihre Geschicke aber über viele Jahre wesentlich geprägt hat, mochte sich am Montag nicht öffentlich äußern, nämlich Christoph Palmer: „Seit meinem Ausscheiden vor drei Jahren sage ich öffentlich nichts mehr zu den Angelegenheiten der Kreispartei, dabei wird es auch bleiben. Ich kann in dieser Situation ohnehin nichts beitragen.“ Gleichwohl werde er in seiner Eigenschaft als Ehrenvorsitzender an der Sitzung des Kreisvorstandes teilnehmen.

Wie tief der Frust in der Partei sitzt, zeigt die Reaktion des CDU-Stadtrats Cornelius Kübler, Schwiegersohn des CDU-Urgesteins Gerhard Meyer-Vorfelder, am Wahlabend im Rathaus. Zu seiner Frau gewandt sagte er: „Schatz, ich glaube, es wäre am besten, wir zögen nach München.“