Weil Verkehrsminister Hermann einen S-21-Kritiker als Berater beschäftigt, wittert die CDU-Abgeordnete Razavi „grünen Filz“. Der Grüne weist dies empört zurück: Aufträge würden allein nach fachlichen Kriterien vergeben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Grünen-Verkehrsminister und seine Gegenspielerin von der CDU- Fraktion haben sich schon bisher wenig geschenkt. Zuletzt gerieten Winfried Hermann und Nicole Razavi im Landtag aneinander, als im März auf Antrag der Union über den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) debattiert wurde (Titel: „Letzter Zug nach nirgendwo“). Bei der Ausschreibung der Folgeverträge für den 2016 auslaufenden „Großen Verkehrsvertrag“ mit der Deutschen Bahn gehe einfach nichts voran, monierte die CDU-Abgeordnete. Mit „teuren Übergangsverträgen“ müsse das Land für die Versäumnisse im Hause Hermanns bezahlen. Schuld sei die schwarz-gelbe Vorgängerregierung, die ihm eine beispiellose „Bugwelle“ hinterlassen habe, konterte der Minister. Die könne man nur nach und nach bewältigen, was eben Zeit koste.

 

Nun spitzt sich der Konflikt weiter zu. Vor dem Hintergrund genau dieses Themas liefern sich Razavi und Hermann einen scharfen Schlagabtausch über „grünen Filz“. Eben jenen will die CDU-Frau bei den Beratern des Verkehrsministers ausgemacht haben, der den Vorwurf in für ihn ungewohnter Deutlichkeit als „so dreist wie abwegig“ zurückweist.

Nahverkehrsgesellschaft auf Abstellgleis?

Schon in der Debatte hatte Razavi die Attacke eingeläutet. Offenbar misstraue Hermann seinen eigenen Beamten und den Mitarbeitern der eigentlich zuständigen Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW). „Umgeben Sie sich lieber mit ihren eigenen Freunden, die in ihre eigene Denkfabrik passen?“, fragte sie giftig. „Geben sie lieber teuren Beratungsfirmen Aufträge, die sich als Stuttgart-21-Gegner bereits einen Namen gemacht haben?“ Er sei sehr froh, eine bundesweit erfahrene, „hoch kompetente Beratungsfirma“ gefunden zu haben, erwiderte Hermann sachlich; diese habe dem Land schon viele Millionen Euro erspart.

Inzwischen legte Razavi per Landtagsanfrage (Titel: „Grüner Filz“) nach – und nannte auch Ross und Reiter. Es geht ihr um die Berliner Beratungsfirma KCW, zu der sie Hermann schon einmal gelöchert hatte. „Befremdlich“ sei deren Beauftragung nicht nur wegen der „Parallelstruktur“ zur NVBW, für die sie früher selbst einmal als Presse- und Marketingchefin tätig war, sondern auch wegen personeller Verflechtungen: Bei KCW profitiere von den Aufträgen ein Partner, Michael H., der sich auf Seiten der Grünen einst als Gegner von Stuttgart 21 profiliert habe. Ein freier KCW-Berater verfüge ebenfalls über beste Kontakte ins Ministerium: Bei der Nahverkehrsberatung Südwest habe er früher mit dem heutigen Zentralstellenleiter zusammengearbeitet. Also verlangte Razavi Auskunft, wie viele Aufträge aus welchen Gründen und in welchem Volumen seit dem Regierungswechsel an die Berliner und andere Berater erteilt worden seien. Warum, wollte sie wissen, würden die Leistungen nicht von der Nahverkehrsgesellschaft erbracht? Zweifele der Minister etwa an deren Kompetenz?

„S-21-Gegner Aufträge zugeschustert“

Gewisse Schwächen sieht Hermann dem Vernehmen nach durchaus bei der NVBW. Doch er kann öffentlich schlecht seine eigenen Leute kritisieren. Immerhin wurde die Gesellschaft, die weiter die „Grundlast“ tragen soll, personell aufgestockt. Lange feilte das Ministerium an der Antwort an die CDU-Abgeordnete. Selbst die bereits verlängerte Frist, monierte diese, wurde noch überschritten.

Noch vor dem Eintreffen der Stellungnahme ging Razavi öffentlich zum Angriff über: Hermann habe die NVBW „lahmgelegt“ und stattdessen „aus Steuergeld bezahlte Aufträge seinem Freund und Stuttgart-21-Kritiker Michael H. zugeschustert“, konstatierte sie via dpa. Die Reaktion des Verkehrsministers folgte prompt und zeugte von echter Empörung: „Wieder einmal versucht die CDU, durch Skandalisierungen von eigenen Versäumnissen der Vergangenheit abzulenken“, keilte er zurück – nach dem Motto: „Hauptsache, mit Dreck geworfen“. Der Filz-Vorwurf sei für die Mitarbeiter des Landes wie auch für die Berater „eine Verunglimpfung“.

Millionen dank Beratung eingespart

Allein auf der Grundlage fachlicher und rechtlicher Kriterien, so Hermann, würden Aufträge vergeben. Als Spezialisten für SPNV-Vergaben seien die KCW-Leute „bundesweit Marktführer“ und für viele Bundesländer tätig. Diese Expertise nutze auch Baden-Württemberg. Immerhin gehe es um ein Finanzvolumen von bis zu zehn Milliarden Euro. Da sei es unerlässlich, die eigene Konzeption sowie das Know-How von Ministerium und NVBW durch externe Berater „prüfen zu lassen und zu optimieren“. Mehrere hundert Millionen Euro, so Hermann, habe das Land dadurch bereits eingespart. Sein Fazit: „Dass die CDU dieses Vorgehen angreift, zeigt, dass sie zu Recht in der Opposition ist.“