Seit Monaten attackiert die CDU Minister Schmid wegen des Verkaufs der LBBW-Wohnungen: Er habe nicht genug für die Mieter getan. Doch die Attacke ist in den eigenen Reihen umstritten.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es war eine Art ungeschriebenes Gesetz. Themen rund um die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), darüber herrschte im Landtag lange Konsens, werden nicht im parteipolitischen Meinungskampf instrumentalisiert: Alle Kräfte haben schließlich ein Interesse am Wohlergehen des Geldhauses. Entsprechend einmütig wurden im Parlament etwa die Kapitalzufuhr und der Schutzschirm in Milliardenhöhe durchgewinkt.

 

Nun aber nutzt die Landtags-CDU ein Landesbank-Thema, um der SPD und deren „Superminister“ Nils Schmid zuzusetzen: den im Zuge der Stützungsmaßnahmen von der Europäischen Union erzwungenen Verkauf der 21 000 LBBW-Wohnungen. Seit Monaten wird Schmid von der Fraktion attackiert, weil er sich bei der 1,4-Milliarden-Euro-Transaktion nicht genug für den Schutz der Mieter eingesetzt habe. Tatsächlich ist die sogenannte Sozialcharta, die sich der Käufer unter Führung der Augsburger Patrizia AG abringen ließ, offenbar nur von begrenztem Wert.

Interpretierbare Auskunft aus Brüssel

Das konkurrierende Konsortium um die Stadt Stuttgart wollte den Mietern mehr Garantien geben, kam aber zu spät und lag mit seinem Angebot 30 Millionen Euro unter den Bayern. Die Folge: schweren Herzens musste die LBBW diesen den Zuschlag geben.

Vorige Woche blies die Parlaments-CDU zur nächsten Attacke gegen Schmid. Wegen der strengen Auflagen aus Brüssel, hatte der Minister in einem SWR-Interview gesagt, sei beim Mieterschutz leider nicht mehr drin gewesen. Falsch, widersprach CDU-Fraktionschef Peter Hauk bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz: Eine Auskunft des zuständigen EU-Kommissars Joaquín Almunia belege, dass man sehr wohl mehr für die Mieter hätte tun können. Sein Fazit: der Minister für Finanzen und Wirtschaft sei „entweder komplett überfordert, oder er nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau“. Bei der Regierungsbefragung im Landtag legte Hauk anderntags noch einmal nach. Mit bebender Stimme gerierte er sich als Anwalt der von „unkalkulierbaren“ Mieterhöhungen bedrohten Menschen, die für die Regierung wohl „keine Rolle“ spielten.


Doch die Attacke entpuppte sich zusehends als Exempel einer wenig klugen Oppositionsstrategie. Die allgemeine Auskunft Almunias sei ja völlig richtig, konterte Nils Schmid: Man habe die Wohnungen nicht zwingend zum Höchstgebot, sondern zum bestmöglichen Preis verkaufen müssen. Entscheidend sei freilich, was der zuständige Beamte der EU-Kommission im konkreten Fall gefordert habe: Die baden-württembergische Landesbank müsse bei der Vergabe den „größtmöglichen wirtschaftlichen Vorteil“ erzielen, Kriterien „ohne wirtschaftliche Relevanz“ dürften keine Rolle spielen.

Man sei da eben „in sehr engen rechtlichen Bahnen unterwegs“, erläuterte der Minister. Auch die Vertreter der alten Regierung im LBBW-Aufsichtsrat hätten nicht anders handeln können. Günther Oettinger & Co. seien es übrigens gewesen, die die Auflagen in der Beihilfegenehmigung einst ausgehandelt hätten. „Sie laufen also gerade gegen Ihre eigenen Beschlüsse und Ihr eigenes Handeln an“, rief Schmid den Christdemokraten zu. Dabei gebe es in den Reihen der Fraktion einen Experten, der „Ihnen sehr detailliert (. . .) Auskunft geben könnte“: den Biberacher Abgeordneten und baden-württembergischen Sparkassenpräsidenten und LBBW-Aufsichtsrat Peter Schneider. Er könne sich „nicht vorstellen“, dass der die Dinge genauso sehe.

Sparkassenpräsident Schneider schweigt lieber

Schneider war zu diesem Zeitpunkt indes nicht im Plenarsaal – vermutlich kein Zufall. Auch zur Frage der Stuttgarter Zeitung, ob er die Kritik der CDU-Fraktion teile, wollte er sich nicht äußern. Schweigen schien ihm offenbar besser zu sein, als seinen Kollegen öffentlich in den Rücken zu fallen. Fraktionsintern soll sich der Sparkassenpräsident jedoch sehr wohl in die Diskussion eingemischt haben – mit der Warnung, das Thema lieber nicht zu hoch zu ziehen. Doch Hauk und der wirtschaftspolitische Sprecher Reinhard Löffler ließen sich den Angriff nicht ausreden.

Bei der Pressekonferenz und im Landtag ging Löffler noch deutlich weiter als sein Fraktionschef. Beim Verkauf an die Patrizia AG, mutmaßte der Abgeordnete, habe die Landesbank wohl auch eigene Interessen im Blick gehabt: Da die Augsburger 60 Prozent des Preises als Kredit bei der LBBW aufgenommen hätten, kassiere diese in den nächsten zwanzig Jahren 500 Millionen Euro Zinsen. Ein paar Tausend Mieter seien da wohl nur als „Kollateralschaden“ betrachtet worden. Ob der LBBW-Chef Hans-Jörg Vetter die Politiker im Aufsichtsrat also instrumentalisiert habe? „Das mag durchaus sein“, antwortete Löffler.

„Finsternis in der Opposition“

Im Plenum forderte er zudem, der Landtag hätte mit dem Beihilfebeschluss befasst werden müssen, weil dieser die Grundlage des Haushaltes verändere. O-Ton Löffler: „Wir hätten durchaus sagen können: Wir wollen das nicht, wir wollen die Landesbank auflösen . . .“ Das sei ja nun „völlig abenteuerlich“ und „völlig unverantwortlich“ gegenüber der Bank und ihren Eigentümern, entgegnete Minister Schmid. Zwei SPD-Fraktionskollegen brachten es mit Zwischenrufen noch kürzer auf den Punkt. „Um Gottes willen“, stieß Wolfgang Drexler aus. Und Martin Rivoir diagnostizierte knapp: „Finsternis in der Opposition.“