Die CDU-Spitze formiert sich neu. Doch im Blickpunkt steht ohnehin nur Angela Merkel. 1001 Delegierte reisen zum Parteitag nach Hannover, Kontroversen sind unerwünscht. Zum Start ins Wahljahr ist ein Fest der Harmonie geplant.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Hannover - Da sage noch einer, das C im Kürzel der CDU sei nur noch Dekoration. Mit ihrem Parteitag 2012, der am Dienstag in Hannover beginnt, unterstreicht die Union ihren Respekt vor christlichen Traditionen. Das hat zunächst gar nichts mit den anstehenden Beschlüssen zu tun als vielmehr mit der Terminplanung. Mit Rücksicht auf den ersten Advent ist es den 1001 Delegierten erstmals seit Langem vergönnt, den Sonntag zu Hause zu verbringen. Bisher hatte der Parteikonvent stets schon am Wochenende begonnen. Dagegen begehrte die Basis auf. Schon 2007 gab es einen Antrag, „zukünftig keine Bundesparteitage mehr in der Adventszeit“ stattfinden zu lassen. So viel Besinnlichkeit lässt das politische Geschäft nicht zu. Doch Generalsekretär Hermann Gröhe hat wenigstens dafür gesorgt, dass der erste Adventssonntag frei blieb.

 

Der Adventsfrieden soll nicht gestört werden

Auch ansonsten hat die CDU nicht vor, den Adventsfrieden nachhaltig zu stören. Der Parteitag in Hannover soll möglichst wenig kontrovers verlaufen. Erwünscht ist vielmehr ein Signal der Geschlossenheit. Die Gastgeber, allen voran Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister, erhoffen sich Rückenwind für die Landtagswahl Ende Januar – die für CDU-Chefin Angela Merkel eine Art Generalprobe für die Bundestagswahl ist. Auf dem Parteitag will sich Merkel ihrer Union als verlässliche Sachwalterin einer soliden Politik der Mitte präsentieren. Streit würde diesen Eindruck stören.

Das bürgerliche Publikum mag kein Parteiengezänk, lautet eine Maxime, die das Adenauerhaus wichtig nimmt. Geschlossenheit lässt sich vor allem an unzweideutigen Wahlergebnissen ablesen. Die komplette Führungsspitze stellt sich dem Votum der Delegierten. Merkel selbst muss sich am allerwenigsten Gedanken machen. Vor zwei Jahren erreichte sie 90,4 Prozent der Stimmen. Dieses Mal werden es wohl noch ein paar mehr sein. Im fulminanten Bekenntnis zur Kanzlerin spiegelt sich die Einsicht, dass sie das wichtigste, wenn nicht gar das einzig entscheidende Pfund ist, mit dem die CDU im Wahljahr wuchern kann. Merkels persönliche Popularität ist größer denn je. Unter ihrer Ägide nähert sich die Partei wieder Umfragewerten um die 40 Prozent, die Horst Seehofer von der kleinen Schwesterpartei CSU nun schon als Wahlziel ausgibt.

Die CDU-Spitze hinter Merkel formiert sich neu

Hinter Merkel formiert sich die CDU-Spitze neu. Zwei ihrer bisher vier Stellvertreter sind aus dem Rennen: der frühere Umweltminister Norbert Röttgen, Wahlverlierer in Nordrhein-Westfalen, und Bildungsministerin Annette Schavan. Für sie tritt der baden-württembergische CDU-Chef Thomas Strobl an. Dessen NRW-Kollege Armin Laschet will an Röttgens Stelle den mitgliederstärksten Landesverband vertreten. Um Kampfkandidaturen zu vermeiden, wurde die Riege der Merkel-Stellvertreter prompt erweitert, weil auch die Hoffnungsträgerin der rheinland-pfälzischen CDU, Julia Klöckner, an die Parteispitze drängt. Zudem wollen Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und Sozialministerin Ursula von der Leyen diese Posten weiter in Anspruch nehmen .

Jenseits von Proporzfragen repräsentiert das Quintett der CDU-Vizes die politischen Lager in der Partei. Von der Leyen ist die Galionsfigur der schwarzen Sozialdemokraten. Insgeheim hält sie sich für kanzlerfähig, wenn es eine Zeit nach Merkel geben sollte. Sie genießt Respekt, hat aber viele Gegner und Neider in der Union. Das könnte sich im Wahlergebnis niederschlagen, mit einer Schlappe muss sie aber nicht rechnen. Bouffier ist der letzte überlebende Konservative an der CDU-Spitze – wenn auch kein wortgewaltiger Anwalt dieser traditionalistischen Kräfte.

Strobl tut sich schwer, bundesweit Beachtung zu finden

Laschet, ein Vorkämpfer schwarz-grüner Avancen, ist neuerdings bemüht, als Industrie- und Wirtschaftspolitiker Kontur zu gewinnen. Bis jetzt hat er noch nicht das Format, dass man ihn für einen neuen Ludwig Erhard halten würde. Ebenso wie Strobl tut er sich schwer, bundesweit Beachtung zu finden. Das ist Julia Klöckner schon gelungen. Sie ist eine der wenigen Nachwuchskräfte mit Perspektive auch in der nationalen Politik. Doch kein einziger der Merkel-Stellvertreter hat jemals eine Wahl gewonnen.

Inhaltliche Differenzen werden die Christdemokraten an eher nachrangigen Themen abarbeiten. So könnten die Frauenquote, die Mütterrente und die steuerliche Gleichberechtigung von Homo-Paaren Diskussionen entfachen. Die größte Brisanz hat dabei noch der Rentenkomplex. Die CDU-Frauen mussten sich mit ihrem Anliegen, Kindererziehungszeiten beim Altersruhegeld besser zu berücksichtigen, schon mehrfach vertrösten lassen. Es geht da schlichtweg um sehr viel Geld, wie Fraktionschef Volker Kauder kurz vor dem Parteitag noch einmal deutlich gemacht hat.

Die Trendwende soll sich im Vorstand abbilden

Die CDU wird in Hannover demonstrieren, dass sie lernfähig ist, nicht nur wenn es um den Schutz der Adventssonntage geht. Ihr Leitantrag signalisiert ein Umdenken in Sachen Einwanderungspolitik. Diese Trendwende soll sich prompt auch im Parteivorstand abbilden: Dort werden aller Voraussicht nach erstmals vier Christdemokraten mit Migrationshintergrund einziehen: die niedersächsische Sozialministerin Aygul Özkan, die Berliner Staatssekretärin Emine Demirüken-Wegner und die beiden Nachwuchskräfte Serap Güler und Younes Ouaqasse. Doch es kandidieren 29 für 26 Plätze – zumindest hier sind also Überraschungen möglich.