Die CDU Nordwürttemberg hat für den Bundesparteitag einen Antrag gestellt, der eine Aufarbeitung der Wahlschlappen fordert – er soll abgelehnt werden.

Berlin - 147 Anträge aus den Reihen der Parteigliederungen liegen dem Bundesparteitag der CDU, Anfang Dezember in Essen, vor. Das sind immerhin rund doppelt so viele wie beim Vorgängerparteitag in Karlsruhe. Die CDU hat also wieder Lust an der Debatte. Tatsächlich ist der Bogen der Antragsthemen so weit gespannt, dass er vom Luftfahrtstandort Deutschland über die Einführung einer Landarztquote bis zu einem einheitlichen europäischen Asylsystem reicht. Mit all dem will sich die CDU beschäftigen. Nur mit einem nicht: mit sich selbst.

 

Anlass für den Antrag: Ärger über von der Leyen

Dabei gäbe es einen Anlass – und der kommt aus dem Südwesten. Der Antrag „C 90“ lautet nämlich so: „Der Bezirksverband Nordwürttemberg fordert die CDU Deutschlands auf, die vernichtenden Ergebnisse bei allen Landtagswahlen im Jahr 2016 nachhaltig und ergebnisoffen aufzuarbeiten und anschließend die nötigen Kurskorrekturen vorzunehmen.“ Der Antrag wurde von der Jungen Union Nordwürttembergs auf dem Bezirksparteitag eingebracht. Steffen Bilger, Bundestagsabgeordneter und Bezirksvorsitzender in Nordwürttemberg, glaubt dass ein Grund für den Antrag der „Ärger nach der Landtagswahl über eine Äußerung von Ursula von der Leyen“ gewesen ist. Die hatte erklärt, wenn sich 20 Prozent der Wähler für die AfD entscheiden, heiße das doch, dass 80 Prozent der Wähler hinter dem Flüchtlingskurs der Kanzlerin stehen. Der Antrag wurde ohne Diskussion gebilligt und ist dadurch offizieller Antrag für den Bundesparteitag. Brisant wird die Sache nun durch die Empfehlung der Antragskommission für den Essener Parteitag. Die empfiehlt nämlich den dort versammelten Delegierten, „den Antrag C 90 abzulehnen“.

Steffen Bilger nennt Empfehlung „bedauerlich“

Möchte sich also die Parteiführung unangenehme Diskussionen über Fehler und Verantwortung ersparen? Es sieht jedenfalls ganz so aus. Steffen Bilger findet das Votum der Antragskommission „bedauerlich“. Er sagt unserer Zeitung: „Zumindest gegen die Aufarbeitung der Ursachen von Wahlniederlagen kann doch eigentlich keiner etwas haben.“ Er sieht jedenfalls Anlass zur Selbstreflexion. „Grundsätzlich sollten wir uns als CDU hinterfragen, warum wir zuletzt Schlappe an Schlappe gereiht haben. Wir kehren nach Niederlagen oft zu schnell zur Tagesordnung zurück.“

Das sieht man im Adenauer-Haus allerdings ganz anders. Dort ist zu hören, man habe sich nach jeder Landtagswahl ausführlich mit den jeweiligen Ursachen befasst und gerade der Generalsekretär habe sich auch immer dazu geäußert. Das mag so sein, aber zweifellos käme der Parteispitze eine intensive Suche nach Fehlern und Verantwortung mal wieder zum falschen Zeitpunkt. Gerade hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre erneute Kandidatur bei den Bundestagswahlen 2017 angekündigt. Der Essener Bundesparteitag soll da neuen Rückenwind verleihen. Und ab dem kommenden (Wahl-)Jahr soll ohnehin der Blick ganz nach vorne und auf den politischen Gegner gerichtet sein. Wer aber Nabelschau betreibt, kann nicht in die Offensive kommen. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass in der praktische Politik längst Konsequenzen gezogen worden seien, was auch der Leitantrag für den Bundesparteitag in Essen zeige. Tatsächlich schlägt der Text mit seiner ausführlichen Benennung der Sorgen in der Bevölkerung, der Betonung der inneren Sicherheit und der Beschwörung von Heimat und Leitkultur Töne an, die parteiinterne Kritiker lange vermisst hatten.