Die Bankfachwirtin Jutta Schiller hat von CDU-Mann Dietrich Birk das Mandat übernommen. Im Landtag muss sich die Göppingerin erst hochdienen.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen/Stuttgart - Jutta Schiller stellt sich hinter der letzten Abgeordnetenbank im provisorischen Saal des baden-württembergischen Landtags in Pose. Klick. Auf der Zuschauerbank tuscheln einige Schülerinnen. Beim Gehen beugt sich Jutta Schiller zu ihnen hinunter. „Keine Angst, ich bin hier nicht das Landtagsmodel, sondern nur eine neue Abgeordnete“, sagt sie und lächelt. Da müssen die jungen Damen natürlich wieder tuscheln.

 

Der Tag, der Jutta Schillers Leben verändert hat, liegt ziemlich genau ein halbes Jahr zurück. Eine Bekannte aus dem Göppinger CDU-Landtagsbüro hatte sich für den Abend angekündigt. „Ich dachte, wenn sie anruft und um ein Gespräch bittet, dann braucht sie eine große Schwester“, erinnert sich Jutta Schiller. Entsprechend leger gekleidet habe sie die Tür geöffnet. Doch dann stand dort nicht die befreundete Bürokraft, sondern deren Chef höchstpersönlich. „Darf ich hereinkommen“, fragte Dietrich Birk. Nach einigen Sätzen Smalltalk ließ der langjährige Göppinger Landtagsabgeordnete die Katze aus dem Sack. „Ich wechsle in die Wirtschaft. Willst du mein Landtagsmandat übernehmen?“

Es ist eine Besonderheit des baden-württembergischen Landtagswahlrechts, dass es keine Landeslisten gibt, anhand derer die Parteien Nachfolgefragen regeln. Stattdessen hat jeder Wahlkreiskandidat einen Ersatzbewerber, der bei einem Ausscheiden automatisch nachrückt. Vor der berühmten Wahl vom 27. März 2011, bei der die CDU nach 58 Jahren erstmals in die Opposition geschickt wurde, war Schiller zur Zweikandidatin der CDU im Wahlkreis Göppingen gekürt worden. Trotzdem habe sie bis dahin nie mit ihrem Einzug in den Landtag gerechnet. Der Gedanke daran sei ihr sogar derart fremd gewesen, dass sie an diesem Abend vor einem halben Jahr nur eines gedacht habe: „Hoffentlich kommt mein Mann heim, so lange Dietrich Birk noch da ist. Der glaubt mir das sonst nie.“

Mit ihrer Zweitkandidatur habe sie nur ein wenig Wahlkampferfahrung sammeln wollen. „Ich habe zum Beispiel gemerkt, dass Podiumsdiskussionen so anstrengend sind, dass man am nächsten Tag kürzer treten sollte“, sagt Schiller. Dieses Wissen sollte in die Kampagne von Klaus Riegert fließen. Viele Jahre leitete sie das Wahlkreisbüro des Göppinger CDU-Bundestagsabgeordneten. Doch Riegert erhielt bei der parteiinternen Nominierung für die Bundestagswahl eine Abfuhr und durfte im vergangenen Jahr nicht wieder antreten. Schiller musste seine Büros im Oktober auflösen. Unverhofft wird sie ihre Erfahrungen nun also für den eigenen Wahlkampf gebrauchen können – vorausgesetzt, ihr widerfährt nicht das gleiche Schicksal.

Während sich Birk in einem Büro des Landesverbands für Maschinenbau einrichtet, macht es sich Schiller auf seinem Landtagssessel bequem. In der zweiten Reihe darf sie sitzen. Eigentlich ist sie zur Hinterbänklerin verurteilt. Im Landtag werden die Plätze hinter der Fraktionsspitze streng nach Alphabet sortiert. Auch Birks Platz im Wissenschaftsausschuss hat Schiller geerbt. „Wissenschaft, Forschung und Kunst sind bestimmende Standortfaktoren für das Land Baden-Württemberg und den Landkreis Göppingen“, lässt sie sich tapfer von ihrem Mitarbeiter in ihrer ersten Presseerklärung als Landtagsabgeordnete zitieren. Allerdings folgt sie da wohl eher Birks Vorlieben, der einst Kunst-Staatssekretär war.

Eigentlich lägen ihre Stärken auf den Gebieten Soziales und Finanzen, räumt Schiller ein. Die 51-jährige Mutter eines erwachsenen Sohnes, die Fröhlichkeit ausstrahlt und beim Reden gerne mit den Armen arbeitet, ist Bankfachwirtin und im Kreis wegen ihrer Arbeit an der Spitze des Kreisbehindertenrings bekannt. Doch in einer großen Fraktion muss man sich erst hochdienen. Da ist es schon ein Erfolg, wenn die einstige Sozialministerin Monika Stolz eine Anregung der neuen Fraktionskollegin in ihre Parlamentsrede aufnimmt.

Bis zum ersten eigenen großen Auftritt wird sich Schiller noch etwas gedulden müssen. „Aber da bin ich ganz froh. So kann ich bei Vereinsfesten und Jubiläen noch ein wenig üben“, sagt Schiller. Bei der kleinen SPD ist das anders. Hidir Gürakar aus Bad Säckingen ist ebenfalls im Januar nachgerückt. Schon in seiner zweiten Plenarwoche musste – oder durfte – er in die Bütt.