Auf einer Tagung des konservativen CDU-Netzwerkes kritisiert der ehemalige Verfassungsschutzpräsident indirekt den bisherigen Ansatz, durch Dialog mit Extremisten eine größere Radikalisierung verhindern zu wollen.

Berlin - Der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans Georg Maaßen hält die Gefahr extremistischer islamistischer Bewegungen sowohl in Deutschland als auch in Europa für unterschätzt. Dies habe damit zu tun, dass der Blick so sehr auf die Terrorgefahr gerichtet sei, sagte Maaßen am Samstag bei einer Konferenz des konservativen CDU-Netzwerks „Berliner Kreis“. Er kritisierte, dass die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes in diesem Feld von verantwortlichen Politikern und anderen gesellschaftlichen Gruppen nicht ernst genug genommen würden. Dies sei wohl auch das Ergebnis islamistischer Propaganda und Desinformation.

 

Maaßen nannte den Extremismus – als Bewegung in egal welche Richtung – eine „schleichende Entwicklung“ und verglich ihn mit Gift. „Der Extremismus ist leise und wird aus meiner Sicht vielfach unterschätzt, weil man gerade immer auf den Qualm, auf die Anschläge und dergleichen schaut“, sagte Maaßen. „Es sind keine Hit-Teams, die den Islamismus bei uns regelmäßig verbreiten.“ Maaßen kritisierte indirekt den bisherigen Ansatz, durch Dialog mit Extremisten eine größere Radikalisierung verhindern zu wollen. Führende Vertreter des islamistischen Spektrums gälten zwar als „wohlintegriert.“ Aber der Staat habe in Wirklichkeit kein Gegenüber, das einen säkularen Islam vertrete.

Meinungsfreiheit wird missbraucht

Aus seiner Amtszeit berichtete er: „Es fiel uns ausgesprochen schwer, der Politik muslimische Organisationen zu nennen, die nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wurden.“ Vertreter muslimischer Organisationen aus dem arabischen Raum nutzten die Meinungsfreiheit und die Freiheit der Religionsausübung zur Propaganda. Sie hätten „im Grunde genommen hier ein Wildwest für sich“.

Er selbst habe auch keine Lösung, wie man es anders machen könne, sagte der ehemalige Verfassungsschutzpräsident, bot aber an, innerhalb der CDU an Lösungen zu arbeiten. Maaßen sprach nur kurz im Anschluss an den Hauptvortrag der Islamismuskritikerin Sigrid Herrmann-Marschall. Im Publikum und auch auf dem Podium der Veranstaltung saßen viele Vertreter der „Werteunion“, einer anderen konservativen Gruppierung der CDU, in der sich das Parteimitglied Maaßen inzwischen engagiert.

CDU-Führung reagiert nervös

Es war nicht das erste Mal seit der Koalitionskrise um seine Person vom vergangenen Herbst, dass der Ex-Geheimdienstler sich öffentlich äußerte, und auch nicht sein erster Auftritt vor Vertretern des konservativen Unionsflügels. Trotzdem hatte die Fraktionsführung im Vorfeld nervös reagiert – nachdem Maaßens Erscheinen bekannt wurde, durfte der „Berliner Kreis“ nicht wie ursprünglich geplant den Fraktionssaal im Reichstag nutzen. Maaßen, der vor allem die Flüchtlings- und Migrationspolitik der Bundeskanzlerin kritisiert, will sich erklärtermaßen für eine „notwendige Politikwende“ einsetzen und auch in den Wahlkampf in Sachsen und Brandenburg eingreifen.

An den Ereignissen in Chemnitz vom Herbst hatte sich die Koalitionskrise um seine Person entzündet. Nach einem Tötungsdelikt am Rande des Stadtfestes, für das sofort Migranten verantwortlich gemacht worden waren und den darauf folgenden fremdenfeindlichen Ausschreitungen hatte Maaßen die Echtheit eines entsprechenden Videos angezweifelt. Zunächst sollte Maaßen daraufhin Staatssekretär im Innenministerium werden. Nachdem aber das Manuskript seiner Abschiedsrede bei einer Geheimdienst-Konferenz veröffentlicht worden war, demzufolge er von „linksradikalen Kräften in der SPD“ gesprochen hatte, versetzte Bundesinnenminister Horst Seehofer ihn in den einstweiligen Ruhestand.