Der Christdemokrat Wolfgang Bosbach kann die Aufregung um die eurokritische Partei Alternative für Deutschland in der CDU nicht verstehen. Er diskutiert freudig und unaufgeregt mit deren Sprecher Bernd Lucke.

Berlin - Es ist ein gediegenes Ambiente. Kronleuchter hängen an der Decke, schwere Teppiche, gedrechselte Stühle. Der Palais-Saal im feinen Berliner Nobelhotel Adlon ist der Ort, an dem der Schlagabtausch über die Europolitik stattfindet. Während im nahen Bundestag über das Energiegesetz diskutiert wird, findet in dem Hotel ein seltenes Zusammentreffen statt. Wolfgang Bosbach, profilierter Innenpolitiker der Union mit eigenem Kopf, sitzt zum Streitgespräch mit Bernd Lucke, dem Sprecher der eurokritischen Partei Alternative für Deutschland (AfD), auf einem Podium. Mit dabei ist auch der Linke-Fraktionschef Gregor Gysi. Doch das Interesse der Zuschauer gilt vor allem Bosbach und Lucke, denn nach Meinung der Union sollten gemeinsame Diskussionen mit der AfD gar nicht stattfinden. CDU/CSU wollen die Eurokritiker am liebsten totschweigen. Das Spitzenpersonal lehnte Streitgespräche mit der AfD ab.

 

Den rheinischen CDU-Bundestagsabgeordneten Bosbach kümmert das wenig. Er tut das, was er für richtig hält. Das hat er schon bei der Eurorettung bewiesen, als er gegen Rettungspakete stimmte. „Ich verstehe die ganze Aufregung nicht“, sagt Bosbach am Rande der Veranstaltung. Er könne nicht verstehen, warum Unionspolitiker auf öffentlicher Bühne mit den Linken streiten, nicht aber mit der AfD. „Die Union muss doch keine Angst haben“, gibt sich Bosbach überzeugt.

Bei manchen Themen ist man sich sogar einig

Wenn es für die Richtigkeit dieser Aussage eines Beweises bedurft hätte, dann findet sich dieser beim Auftritt in Berlin. Vor 350 mittelständischen Unternehmern und deren Familien, die zum Tag der deutschen Familienunternehmen gekommen sind, wird das Kräftemessen ausgetragen. Wer eine aufgeheizte Debatte mit gegenseitigen Schuldzuweisungen erwartet hat, wird enttäuscht. Bosbach und Lucke sitzen brav nebeneinander, hören einander zu und sind in manchen Punkten sogar einer Meinung. Als das Gespräch darauf kommt, dass Brüssel immer mehr Themen an sich zieht, stellt der frühere Volkswirtschaftsprofessor Lucke, der für die AfD ins Europaparlament eingezogen ist, zufrieden fest: „Vieles von dem, was Herr Gysi und Herr Bosbach gesagt haben, klingt wie die Position der AfD.“ Wobei nicht verborgen bleibt, dass Lucke auf dem Berliner Parkett noch fremdelt. Wenn er Gysi sagt, klingt es wie „Güsi“.

Tatsächlich gibt es zwar Verbindendes. Gysi ist sich mit Lucke einig, dass es ein Fehler gewesen sei, die Banken mit Steuergeldern zu retten. Bosbach wiederum ärgert sich darüber, dass Brüssel den Anspruch hat, sogar die Aufstellung von Ölkännchen auf Restauranttischen zu regeln. Mit diesen Anekdoten bestreitet auch die AfD gern ihre Parteitage.

Das war es aber schon mit Gemeinsamkeiten. In zentralen Fragen erntet Lucke Widerspruch. Seine Forderung, die Euroländer sollten darüber entscheiden können, aus dem Euro auszutreten, halten sowohl Gysi als auch Bosbach für Unsinn. Der Anwalt und Politiker Gysi belehrt Lucke, dass ein Ausschluss vertraglich nicht möglich sei. Und freiwillig wollten selbst Länder mit der größten Verschuldung nicht aus dem Euro raus. Die Rückkehr zu nationalen Währungen hält auch Bosbach für Quatsch. Er stellt sich Europa nicht als zentralistisches Gebilde vor, sondern als Staatenbund, der eng zusammenarbeitet, sich reformiert und stärker investiert.

Die Familienunternehmer wollen den Euro nicht missen

Am Ende entpuppt sich der vermeintliche Tabubruch als sachliche Diskussion im Plauderton. Auffallend ist, dass die Familienunternehmer ein, zwei Mal auch Lucke Beifall spenden. Der Vorstand der Stiftung Familienunternehmen, der Stuttgarter Rechtsanwalt Brun-Hagen Hennerkes, stellt die Positionen der Familienunternehmen klar: An Lucke gewandt, sagt Hennerkes: „Vergessen Sie bitte nicht, dass die Familienunternehmer den Euro schätzen.“ Deren Sympathien lägen ganz eindeutig bei Bosbach, resümiert Hennerkes. Der CDU-Mann sieht sich bestätigt. Eine Koalition mit der AfD kann sich Bosbach niemals vorstellen. Doch streiten müsse erlaubt sein.