Die CDU-Spitzenkandidatin und Kultusministerin knüpft mit ihrem zentralen Veranstaltungsformat an eine Reihe des sächsischen Regierungschefs an. Bei „Eisenmann will’s wissen“ sollen vor allem Bürger zu Wort kommen.

Stuttgart - Niemand wird es bestätigen, doch jeder weiß es: Die Wahlkampfmaschinerie der Parteien läuft. Alles andere wäre ein Dreivierteljahr vor der nächsten Landtagswahl am 14. März 2021 auch ungewöhnlich. Die Regierungskoalition kaschiert dies zwar mit geräuschvollem Kampf gegen die Corona-Krise, doch man sollte sich nicht täuschen: Die Agenda von Grünen und CDU ist abgearbeitet, die Gemeinsamkeiten sind aufgezehrt. Das Führungspersonal denkt stets das Ende mit.

 

Vor allem CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann gibt Gas, denn sie hat ja den verwegenen Plan, einen amtierenden Ministerpräsidenten zu stürzen. Nichts ist schwieriger als Wechselstimmung zu erzeugen – oder gibt es sie bereits? Nicht zuletzt dieser Frage geht sie jetzt im Rahmen eines neuen Gesprächsformats nach. „Eisenmann will’s wissen“, lautet eine Veranstaltungsreihe, die für alle 70 Wahlkreise geplant ist. Es soll die zentrale Bühne für sie werden, um sich im Land bekannter zu machen.

Vorbild aus Dresden

Angelehnt ist das Format, das sowohl digital und ab September auch mit direkter Bürgerpräsenz stattfinden soll, an ein Vorbild aus Dresden. „Direkt: Michael Kretschmer im Gespräch in Ihrer Gemeinde“, lautet eine Reihe, mit der der sächsische Ministerpräsident seit längerem gute Erfahrungen macht. Neben den „Sachsengesprächen“, in denen der CDU-Mann oft das halbe Kabinett im Schlepptau hatte, ist es vor allem das „Direkt“-Format, mit dem sich Kretschmer den Ruf eines großen Kommunikators erarbeitet hat. Daran will Eisenmann anknüpfen. „Die Menschen wollen, dass man ihnen zuhört und sie nicht mit Botschaften überfrachtet“, sagt CDU-Generalsekretär Manuel Hagel zum Grundmuster. Mal werden Branchenvertreter dazu eingeladen, mal sollen Fachpolitiker dabei sein. Es gehe darum zu hören, wo die Menschen der Schuh drückt.

Obwohl seit vier Jahren Kultusministerin, teilt Eisenmann das Problem aller Herausforderer: Sie ist noch relativ unbekannt. So haben bei der von „Stuttgarter Zeitung“ und SWR im vergangenen März bei Infratest-Dimap in Auftrag gegebenen Umfrage 45 Prozent angegeben, sie kennten Eisenmann nicht oder könnten ihre Arbeit nicht beurteilen. Bei Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) waren es gerade mal acht Prozent.

„Persönlichkeitsspaltung“

Bei „Eisenmann will’s wissen“, wofür die Stuttgarter CDU-Parteizentrale verantwortlich zeichnet, wird sich die Politikerin allerdings den Hut der Spitzenkandidatin aufsetzen, nicht jenen der Kultusministerin. Alles andere würde gegen das grundgesetzlich verankerte Neutralitätsgebot verstoßen. In amtlicher Funktion darf sie sich andererseits im Hinblick auf Wahlen nicht mit politischen Parteien identifizieren. Verlangt wird im ministeriellen Wahlkampf also eine Art Persönlichkeitsspaltung – doch dieses Symptom verliert sich erfahrungsgemäß im Lauf einer Kampagne. Niemand kann einem Politiker schließlich verwehren, Entscheidungen mit Blick auf den nahenden Wahltag zu treffen.

So war es denn keine Überraschung, dass Eisenmann nach ihrer Kür zur CDU-Spitzenkandidatin vor rund einem Jahr die Koordination der CDU-Ministerien in der Landesregierung übernahm. Dahinter steckt die Absicht, die unionsgeführten Ressorts sichtbarer zu machen und besser zu verzahnen. Dass ihr (hinter ihrem Ehemann Christoph Dahl) wichtigster Berater Michael Föll kurz zuvor vom Stuttgarter Bürgermeisterstuhl auf den des Amtschefs im Kultusministerium gewechselt war, passt ins Bild. Mittlerweile hat Eisenmann um Föll ein Team installiert, das zwar nicht für den Wahlkampf, wohl aber für die Schlagkraft der fünf CDU-Ministerien sorgen sollen. Dass die Beamten nicht das Grünen-, sondern das CDU-Parteibuch haben, dürfte nicht überraschen.

Talentschuppen

„Leitungsstab Regierungskoordination“ nennt sich die Gruppe, und einige aus diesem Talentschuppen kannten sich bereits zuvor. Denn Eisenmann hat sich die Berater bevorzugt im Justizministerium ihre Parteifreundes Guido Wolf ausgesucht. Der frühere Leiter der Zentralstelle Uwe Wiedmann stammt ebenso von dort wie die Spitzenbeamten Ralf Stefan Hübner und Steffen Tanneberger. Aber auch Thomas Paul, früher beim Agrarministerium, und Christina Stumpp, früher im Innenministerium, sind vertreten. Ebenso der frühere landespolitische Autor der „Stuttgarter Nachrichten“, Nils Mayer. Den einen oder andere Namen hat Eisenmann übrigens von Hubert Wicker gesteckt bekommen: Der Präsident der Führungsakademie Baden-Württemberg, der einst Günther Oettingers Staatskanzlei und so manches andere Ministerium geleitet hat, begleitet Eisenmanns Gipfeltour mit Wohlwollen.