Mindestens 1000 Meter Abstand zwischen Wohngebieten und Windrädern verheißt die Südwest-CDU. Dumm nur: eine Klausel, die den Ländern eigene Regeln ermöglicht, läuft noch vor der Landtagswahl aus. Andere Wege sind wenig aussichtsreich.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Es ist eine vernichtende Bilanz, die die CDU im Entwurf für ihr Landtagswahlprogramm in puncto Windkraft zieht. Grün-Rot habe „viel gewollt und nichts erreicht“, heißt es schon im Zwischentitel. Völlig unrealistisch sei das Ziel von 1200 neuen Anlagen bis 2020 gewesen. Planungschaos und Zuständigkeitswirrwarr hätten stattdessen dazu geführt, dass Baden-Württemberg heute das „Schlusslicht“ unter den Flächenländern sei. Und es werde nicht besser: bei zahlreichen Projekten sei mit „nachvollziehbarem örtlichen Widerstand zu rechnen.“

 

Ginge es nach der Wahl 2016 wieder nach der CDU, dann würde die Position der Gegner sogar noch gestärkt. Man werde sich „dafür einsetzen, dass die Abstandsflächen von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung wieder durch Landesgesetz festgelegt werden können“, heißt es im Programmentwurf, der beim Parteitag am Wochenende beschlossen werden soll. Auf diesem Weg werde man „einen Mindestabstand von 1000 Metern einführen“ – anstelle der derzeit geltenden 700 Meter. Das würde die Realisierungschancen für weitere Großrotoren erheblich vermindern.

Nur Bayern geht den Sonderweg

Wie aber will die CDU ihr Versprechen im Fall eines Sieges einlösen? Was einfach klingt und bei Windkraft-Kritikern Beifall finden dürfte, erscheint bei näherer Betrachtung erheblich komplizierter. Die Möglichkeit, den Abstand per Landesgesetz zu regeln, gibt es nämlich bereits. Bei der jüngsten Novelle des Baugesetzbuches, im Sommer 2014, wurde mit Blick auf die Windenergie eine entsprechende „Länderöffnungsklausel“ aufgenommen. Allerdings ist diese zeitlich befristet: auf ihr basierende Landesgesetze sind bis zum 31. Dezember 2015 zu erlassen.

Alleine Bayern hat von dieser Regelung Gebrauch gemacht. Dort wird verlangt, dass der Abstand eines Windkraftwerkes zur Wohnbebauung das Zehnfache von dessen Höhe betragen müsse – angesichts der immer höheren Anlagen für viele eine schwer überwindbare Hürde. Sonst aber wisse man von keinem Bundesland, das die Öffnungsklausel nutzen wolle, heißt es im Stuttgarter Umweltministerium von Franz Untersteller (Grüne).

Länderklausel als Ladenhüter

Gerade mal sechs Wochen wären dafür noch Zeit. Um ihr Versprechen zu erfüllen, wird bei den Grünen gewitzelt, müsste die CDU schon 2015 die Regierung übernehmen; eine Mehrheit im Landtag ist jedenfalls nicht in Sicht. Nach der Wahl im März 2016 aber, wenn die Frist für die Öffnungsklausel längst abgelaufen ist, wird es schwierig für eine Regelung auf Landesebene. Theoretisch kämen dafür zwei Wege in Betracht: über den Bundestag oder den Bundesrat. Beide, spöttelt man im Umweltministerium, seien allerdings „sehr ambitioniert.“ Wie wolle die CDU in Berlin Verbündete für eine Gesetzesklausel gewinnen, die sich gerade als „Ladenhüter“ erwiesen habe?

Im Bundestag müsste die Südwest-CDU erst einmal ihre Abgeordneten-Kollegen aus anderen Ländern überzeugen, die kein Interesse an einer eigenen Regelung hatten. Ob die SPD mitstimmen würde, erscheint genauso ungewiss; federführend wäre mit dem Umweltministerium zudem ein SPD-geführtes Ressort. Im Bundesrat könnte die Stimmenmehrheit jener Länder, in denen die Grünen mitregieren, bei den März-Wahlen zwar dahinschmelzen. Selbst dann erschiene es aber fraglich, ob etwa Länder mit einer großen Koalition – wie Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern – just einen Vorstoß der Südwest-CDU unterstützen würden.

„Den Mund etwas voll genommen“

Doch genau jenen Weg will die Landespartei im Fall eines Sieges beschreiten. Die Forderung im Programmentwurf ziele „auf das Einbringen einer entsprechenden Bundesratsinitiative, durch die die rechtliche Grundlage für diese Maßnahme geschaffen werden kann“, teilte ein Sprecher mit. Zu den Erfolgsaussichten äußerte er sich nicht. Im Umfeld Unterstellers werden sie als gering beurteilt: Da habe die CDU wohl „den Mund etwas voll genommen.“