Die Technik, Maschinen durch Gesten oder Sprache zu steuern, kam bislang vor allem bei Spielen zum Einsatz. Jetzt erobert das Thema den Massenmarkt.

Leben: Ricarda Stiller (rst)

Hannover - Noch Mitte der 90er Jahre schüttelten selbst Fachbesucher der Computermesse Cebit den Kopf, ob des Anblicks zahlreicher umherwuselnder Asiaten, die scheinbar pausenlos mit ihren Handys telefonierten. Sie liefen – so hätte man meinen können – den ganzen Tag nur über das Messegelände, um zu zeigen, wie unendlich wichtig es ist, ununterbrochen erreichbar zu sein. Die meisten von ihnen verwendeten dabei Headsets, was auf ungeübte Betrachter skurril wirkte. Glossen wurden darüber verfasst, wie absurd dies doch alles sei. Es ist noch keine 20 Jahre her.

 

Für den gewöhnlichen Arbeitnehmer war es seinerzeit undenkbar und wenig erstrebenswert, immerzu ein Handy bei sich zu tragen. Weder wollte man immer und überall erreichbar sein, noch war es bezahlbar. Heute hat bald jeder Schüler eins.Ganz ähnlich könnte in 20 Jahren ein Artikel beginnen, in dem daran erinnert wird, wie unglaublich albern es empfunden wurde, als sich Jugendliche zu Beginn des neuen Jahrtausends mit Wischbewegungen und rudernden Armen vor Monitoren bewegten, um den daran angeschlossenen Spielkonsolen Befehle zu erteilen. Doch bis dahin öffnen wir möglicherweise selbst alle per Blick, Geste oder Sprachbefehl Fenster und Türen, und die wenigsten Geräte werden noch über Tasten, Hebel oder Knöpfe verfügen. Auch herkömmliche Fernbedienungen wird es bis dahin nicht mehr geben.

Die neuen Bedienkonzepte werden erst allmählich akzeptiert

Obwohl es die Möglichkeit, Geräte per Geste oder Sprache zu steuern, längst gibt, beginnt man erst allmählich, sich daran zu gewöhnen. In vielen Bereichen aber stoßen die neuen Bedienkonzepte noch auf große Skepsis. Dazu zählen etwa telefonische Hotlines. Zwar wundert sich längst niemand mehr darüber, wenn er per Sprachbefehl à la: „eins; nein; weiter; ja; technisches Problem; Mitarbeiter“ durch das Menü navigieren muss, um mit viel Glück doch noch einen Menschen am anderen Ende der Leitung zu erwischen. Zufrieden ist mit dieser Art von Kommunikation kaum jemand.

Hingegen wird es von den meisten als sinnliches Erlebnis begriffen, auf einem iPhone oder iPad mit fettigen Fingern über das glänzende Display zu wischen. Sämtliche Smartphone- und Tablet-Hersteller eiferten Apple in dieser Hinsicht nach. Doch Apple hat die Nase in Sachen intuitiver Benutzerführung noch immer weit vorn. Diese Geräte machen einfach Spaß. Da nehmen es die meisten Anwender sogar in Kauf, ein in der Regel technisch unterlegenes, viel zu teures Gerät, bei dem sich nicht einmal der Akku selbst austauschen lässt, zu erstehen. Rational erklären kann man das kaum.

Auf der Cebit wird gezeigt, was möglich ist

Es lässt sich heute nicht vorhersagen, in welchen Bereichen wir künftig per Sprachbefehl, mit Blicken oder Gesten technische Geräte steuern werden. Eine Tendenz aber ist bereits zu erkennen – und auf der diesjährigen Cebit wird gezeigt, was möglich ist.

Während die Firma LG Electronics eine Fernbedienung für ihre Fernsehgeräte im Angebot hat, die auf Sprachbefehle hört, arbeitet die Autoindustrie schon lange an einer Kombination aus neuen Bedienkonzepten. Wenn sich beispielsweise die Sicherheit beim Fahren erhöhen lässt, indem Radio, Navi oder Klimaanlage per Sprache bedient werden können, dürfte dies auch akzeptiert werden – vorausgesetzt, es wäre ohne exorbitanten Aufpreis zu haben. Auch das Smartphone lässt sich in die Fahrzeugtechnik integrieren, die Adresse holt sich das Navigationssystem ganz einfach selbst, wenn der Befehl lautet: „Ich will zu Frank fahren“.

Manches klingt nach Science Fiction

Samsung und Lenovo steuern ihre Fernsehgeräte von diesem Jahr an nicht mehr ausschließlich per Fernbedienung. Wenn man sich ein Gerät der ES8090-Serie von Samsung zulegt, kann man künftig dem Fernseher mal kräftig winken. Die hochauflösende Kamera oberhalb des Displays erkennt dies und schaltet in den Gestenmodus um. Mit Handbewegungen lässt sich dann etwa ein Mauszeiger steuern. Möchte man ein Menü auswählen, so muss man an der entsprechenden Stelle die Hand zur Faust ballen. Den Praxistest hat das System bereits im Januar auf der Consumer Electronic Show in Las Vegas bestanden.

Wer nicht will, dass die minderjährigen Kinder ebenfalls per Sprache, Hand oder Faust dem Fernseher Befehle erteilen, der erlaubt nur den erwachsenen Haushaltsmitgliedern, per Gesichtserkennung in die Datenbank aufgenommen zu werden. Auch wenn das noch ein bisschen nach Science Fiction klingt, ist die Technik auf den Messeständen schon jetzt zu bestaunen. Einige Geräte haben es auch bereits in den Handel geschafft.

„Hallo Fernseher, kannst du mich hören?“

Wie fast immer, so wird sich auch bei den neuen Bedienkonzepten eine Kombination aus verschiedenen Eingabemöglichkeiten durchsetzen. Während es vielleicht noch in Ordnung geht, zu Hause die Geräte mit ihrem Namen – also: „Hallo Fernseher“ oder „Hallo Radio“ – anzusprechen, damit sie sich einschalten, so will man nicht den ganzen Abend vom Sofa aus Befehle wie „Programm umschalten“ oder „Lautstärke runter“ rufen. Ein Tablet mit Touchscreen als Steuerungselement für sämtliche Geräte, die um den Fernseher und die Musikanlage herum versammelt sind, ließe man sich dagegen sicherlich gefallen.

In mancher Großfamilie mit nur einem Fernsehgerät – das soll es noch geben – werden am Samstagabend wahre Machtkämpfe um die Fernbedienung ausgetragen. Man mag sich nicht ausmalen, wie der Fernsehapparat aus diesem Stimmgewirr und möglicherweise sich balgenden Familienmitgliedern den für ihn letztlich gültigen Befehl herausfiltern soll. Vielleicht spricht das Gerät dann auch mal zurück und ruft den Haufen zur Ordnung. Oder antwortet mit einem schlichten „Information Overflow“.