In Indien wird die Omikron-Subvariante BA.2.75 festgestellt. Sie breitet sich schnell aus, weist potenziell gefährliche Mutationen auf und ist auch schon in Deutschland aufgetreten. Aber besteht jetzt Grund zur Sorge? Ein Überblick.

Digital Desk: Lotta Wellnitz (loz)

Nach über zwei Jahren Corona-Pandemie wünschen sich viele, dass das Virus endlich aus ihrem Leben verschwindet. Doch immer wieder tauchen neue Varianten oder Subvarianten des Virus auf. So auch jetzt wieder – und zwar in Indien.

 

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde dort im Mai dieses Jahres erstmals die sogenannte BA.2.75 Variante festgestellt, ein Subtyp der Corona-Variante Omikron. Sie verbreitet sich in Indien schnell und hat bereits andere Ländern erreicht, darunter Deutschland. Besteht hier also ein Grund zur Sorge?

Was weiß man über BA.2.75?

Der britischen Zeitung „Guardian“ nach, heißt die Subvariante in Großbritannien „Centaurus“. Sie ist eine zweite Generation der BA.2.-Variante, die zum Beispiel hierzulande im Winter das Infektionsgeschehen dominierte. Die leitende WHO-Wissenschaftlerin Soumya Swaminathan sagte dem „Guardian“, dass die WHO die Variante beobachte. Auch das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) führt sie als „Variante unter Beobachtung“ auf. Heißt: Es besteht die Möglichkeit, dass BA.2.75 ansteckender ist, oder man eher einen schweren Krankheitsverlauf bekommen kann, sollte man sich anstecken.

WHO-Wissenschaftlerin Swaminathan sagte aber auch, dass es noch zu wenig Daten gebe, um etwas über die Gefährlichkeit der Subvariante zu sagen. Hierzulande taucht sie bislang auch nicht in den Covid-19-Wochenberichten des Robert Koch-Instituts (RKI) auf, in denen auf relevante Virusvarianten eingegangen wird.

BA.2.75 wurde in mehreren Bundesstaaten Indiens entdeckt, wie Lipi Thukral, Wissenschaftlerin am CSIR Forschungsinstitut für Genetik und Integrative Biologie in Neu-Delhi, gegenüber der Nachrichtenagentur Associated Press sagte. Es scheine, als breite sie sich schneller aus als andere Varianten. BA.2.75 wurde bislang in zehn weiteren Ländern entdeckt, darunter auch Großbritannien, Australien, USA und Kanada.

Was sagen Wissenschaftler?

Wissenschaftler diskutieren schon länger über die Subvariante. Sie sind aber noch zurückhaltend, was deren Gefährlichkeit angeht. So teilte zum Beispiel Richard Neher vom Biozentrum der Universität Basel auf Anfrage mit, dass BA.2.75 zwar eine Reihe von relevanten Mutationen habe, bislang aber sehr selten und hauptsächlich in Indien beobachtet worden sei. „Es ist durchaus möglich, dass BA.2.75 eine global erfolgreiche Variante wird, es ist aber zu früh, dies mit Sicherheit zu sagen.“

Der Molekularbiologe Ulrich Elling, der sich auf die Sequenzierung von Corona-Proben spezialisiert hat, schrieb auf Twitter, wo die Diskussion über die Subvariante besonders Fahrt aufnahm, schrieb auf Twitter: „Noch bevor wir mit der BA.5-Welle durch sind, müssen wir uns vielleicht schon auf die nächste vorbereiten.“

Und Shishi Luo, Leiterin der Abteilung für Infektionskrankheiten bei Helix, einem US-Virussequenzierungsunternehmen, erklärte, der Fakt, dass BA.2.75 bereits in vielen Teilen der Welt selbst bei geringerer Virusüberwachung entdeckt worden sei, sei ein früher Hinweis auf die schnelle Ausbreitung.

Wie unterscheidet sich BA.2.75 von anderen Varianten?

Möglicherweise besitzt die Subvariante ein verändertes Erbgut. So schreibt etwa der britische Virologe Tom Peacock auf Twitter, dass der Erreger mehrere Mutationen am sogenannten Spike-Protein aufweise, mit dem das Virus menschliche Zellen entert. Einzeln betrachtet lasse keine der Veränderungen wirklich aufhorchen, aber wenn alle zusammen auftauchten, sei es eine andere Sache. Wissenschaftler und Forscher berichten, dass die Omikron-Subvariante noch zwölf weitere Mutationen zur Originallinie BA.2 aufweist. Sie könnte also eine neue Infektionswelle auslösen und auch den Immunschutz bei Geimpften und Genesenen umgehen.

Nachweisbar müsste die Variante in PCR-Labortests sein, so Experten. Es gebe keinen Hinweis, dass BA.2.75 nicht per PCR detektiert werden könne, erwiderte zum Beispiel die Schweizer Virologin Isabella Eckerle bei Twitter auf eine entsprechende Behauptung.

Ob es allerdings zu einer neuen Infektionswelle kommt, und die Subvariante tatsächlich gefährlicher ist, als ihre Vorgänger, kann man momentan noch nicht sagen. Das schreibt auch der britische Virologe Tom Peacock auf Twitter weiter. Denn aktuelle Einschätzungen zu BA.2.75 seien noch sehr spekulativ. Er war 2021 der Erste, der die Gefährlichkeit der Omikron-Variante identifizierte.