Der größte europäische Clubwettbewerb startet an diesem Dienstag in die neue Saison. Klar ist schon jetzt: Die Königsklasse gibt den Takt vor – bei den Vereinen und den Fans.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart - Wer mit Fußballprofis über die Champions League spricht, landet irgendwann unweigerlich bei der Musik. Einmal die berühmte Hymne auf dem Platz hören – es gibt wohl kaum einen Kicker, der diesen Satz nicht irgendwann mal so oder so ähnlich gesagt hat, als es um seine Träume und speziell um die Königsklasse ging.

 

Die Meister. Die Besten. Les grandes equipes. The champions.

Songzeilen, tausendfach gespielt um kurz vor drei viertel neun in den Arenen Europas. Wo die Profis wie bei einer Nationalhymne in Reih und Glied stehen und andächtig lauschen. So wie in dieser Woche, zum Auftakt der neuen Runde.

Das Werk des Komponisten Tony Britten zum Start der Champions League, der im Jahr 1992 das Ende des Vorgängerwettbewerbs Europapokal der Landesmeister markierte, gehört längst zum guten Ton in Europas Spitzenfußball. Es sind Takte, die in gewissem Sinne auch die Bedeutung des Wettbewerbs wiedergeben. Das Lied ist der Hit. Weil die Champions League der Hit ist. Der Henkelpott schluckt gefühlt alles andere. Nationale Meisterschaften und Pokalsiege, in Deutschland oder anderswo, sind längst weniger wert als der Triumph in Europas Königsklasse. Ein Meistertitel für Real Madrid? Eine nette Selbstverständlichkeit. Ein DFB-Pokalsieg für den FC Bayern München? Eine bessere Pflichtnummer. Ein Supercupsieg für den FC Chelsea in England? Ganz okay.

Der Erfolg in der Champions League? Für alle drei und noch viel mehr Clubs das Nonplusultra. Das Ziel der Ziele. Der ultimative Triumph.

Die Fans singen laut „Europapokaaaaaal“

Die Königsklasse hat sich spätestens vom Viertelfinale an zu einer Art Europaliga entwickelt, in der die Großkopferten des internationalen Fußballs den Titel unter sich ausmachen. Schon in der Vorrunde hat sich über die Jahre in vielen Gruppen längst ein gewohntes Bild entwickelt. Es gibt in der Regel zwei Spitzenteams, die schon am vierten oder fünften Spieltag das Weiterkommen sichern. Und zwei Vereine dahinter, die um Platz drei kämpfen.

Alle Topteams eint dabei, dass sie nationale Titel gerne mitnehmen. Aber den Fokus streng auf die Champions League richten. Was zur Folge hat, dass der Wettbewerb auch beim Publikum einen immer größeren Stellenwert einnimmt. Die internationale Jugend etwa eifert den großen Champions-League-Stars wie Cristiano Ronaldo oder Lionel Messi nach und kauft ihre Trikots. Und eben eher keine von Lewis Holtby oder Vedad Ibisevic. Die Fans singen lauthals vom Traumziel „Europapokaaaaaal“ – und nicht von der „Bundesligaaaaaa“ oder dem „DFB-Pokaaaaaal“. Und die Profis träumen im Zweifel eher weniger von der Hymne der Bundesliga, die es ja auch gibt. Sondern von Europas berühmter Nummer eins der Fußballcharts.

Die Champions League überstrahlt alles. Auch finanziell. Die europäische Fußballelite ist gefühlt längst eine geschlossene Gesellschaft. Wer regelmäßig teilnimmt, kann mit den Einnahmen einen Kader kaufen, der ihm die nächste Teilnahme sichert. Und ihm einen weiteren Vorsprung auf die nationale Konkurrenz verschafft, die auch mal in die Königsklasse einziehen will. Kapitalismus pur. Die Romantik bleibt auf der Strecke – was in Teilen der Fußballfamilie großes Unbehagen auslöst.

Nächste Saison sollen 3,2 Milliarden Euro ausgeschüttet werden

Zumal es mittlerweile so ist, dass sich die Champions League in gewissem Sinne selbst konterkariert. Denn in Zeiten der Ölscheichs aus dem Nahen Osten machen selbst die horrenden Einnahmemöglichkeiten aus der Königsklasse nicht mehr den ganz großen Unterschied unter den Topclubs aus. Alles strebt nach dem Triumph in Europa. Koste es, was es wolle. Die Scheichs von Paris St-Germain etwa wollen den Fußballgipfel mit dem Brasilianer Neymar, der vom FC Barcelona kam, erreichen und investierten dafür 222 Millionen Euro. Das sind Summen, die auch den Clubbesitzern von Manchester City nicht fremd sind. Es sind Gelder, mit denen die Champions League zwar gewonnen werden soll, die aber eben gar nicht mehr wie früher aus dem eigentlichen Einnahmepool kommen.

„Ich finde das ein wenig pervers“, sagt selbst der frühere Uefa-Generalsekretär Gerhard Aigner, der die Königsklasse einst miterfunden hat. Der spanische Liga-Präsident Javier Tebas fragte unlängst, wie der FC Bayern noch mit Paris St-Germain und ManCity konkurrieren wolle: „Sie haben dieses Finanzdoping nicht.“

In der kommenden Saison jedenfalls werden die Einnahmen aus der Königsklasse wieder signifikant steigen. Statt der 2,35 Uefa-Milliarden für beide Clubwettbewerbe sollen 3,2 Milliarden Euro ausgeschüttet werden. Die Champions League wird also nochmals aufgewertet. Was ihrer Strahlkraft sicher nicht schaden wird.