Bayer Leverkusen fährt vor dem Achtelfinalhinspiel gegen Barcelona die Saisonziele nach unten. In der Mannschaft herrscht schlechte Stimmung.

Leverkusen - In den meisten Städten dieser Welt wird ein Besuch des FC Barcelona als Augenblick des Glücks empfunden. Wann können die eigenen Fans schon mal die beste Mannschaft der Welt im eigenen Stadion sehen? Doch in Leverkusen ist die Freude auf das große Spiel am Dienstagabend ziemlich getrübt. Nach sportlich durchwachsenen Wochen, der 0:1-Niederlage vom Samstag in Dortmund und den hässlichen Debatten über Michael Ballack liegt ein seltsames Gefühl des Pessimismus über dem Leverkusener Sportpark.

 

Und auf die Frage, ob die Mannschaft all den Ärger der vergangenen Wochen mit einem Sieg gegen Barcelona zumindest kurzfristig übertünchen könne, erwidert der Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser nur: "Sagen wir so: mit einem guten Spiel." An einen Erfolg oder gar einen Einzug in das Viertelfinale scheinen sie nicht ernsthaft zu glauben bei Bayer. Dort läuft stattdessen mal wieder eine Phase der Neuausrichtung.

Nicht finanziell, sondern emotional. Nachdem die Mannschaft im Vorjahr unter Jupp Heynckes immer wieder wunderbaren Fußball spielte, lange der einzige Verfolger des späteren Meisters Borussia Dortmund war und Robin Dutt vor der Saison einen Angriff auf den Titel ankündigte, müssen die Leverkusener ihrem Publikum nun etwas verkaufen, das sich wie graues Mittelmaß anfühlt.

Ein neuer Trainer, ein kritisches Publikum

In der Bundesliga spielt die Werkself nur noch um die Europa-League-Plätze, und der unbedeutendere der beiden internationalen Clubwettbewerbe hat in Leverkusen schon lange niemanden mehr vom Hocker gerissen. Allerdings sei dieser kleine Absturz keineswegs eine Überraschung, sagt Hozhäuser, denn rein finanziell liege Bayer unter den Clubs des oberen Bundesligadrittels weit hinten. "Platz sechs ist für Bayer Leverkusen der Realität näher als Platz zwei", betont er.

Das mag stimmen, der Versuch einen Platz in der Europa League als ein gutes Ergebnis zu verkaufen, ist aber Symptom eines Paradigmenwechsels. Der Werksclub verabschiedet sich gerade von seinem Selbstbild als regelmäßiger Teilnehmer der europäischen Königsklasse, was im vorigen Sommer noch das unbedingte Ziel war. Und dieser Wandel hat viel mit den Eindrücken zu tun, die die Mannschaft während der vergangenen Monate hinterlassen hat.

Bis auf Lars Bender ist keinem Spieler unter Trainer Robin Dutt ein Leistungssprung gelungen, bei vielen ist im Gegenteil ein Formverfall zu beobachten. Spieler wie Gonzalo Castro, Michal Kadlec oder Stefan Reinartz spielen mal gut, viel zu oft aber auch richtig mies, und Stefan Kießling, Ömer Toprak oder André Schürrle zeigen kaum etwas von den Fähigkeiten, aufgrund derer sie einst geholt wurden. "Die Spieler sind hier auch in eine schwierige Situation geraten", betont Holzhäuser. Ein neuer Trainer, ein kritisches Publikum, und mit Dutt seien Zuschauer und Medien auch "nicht immer fair umgegangen".

Dutt sollte auch die Älteren härter anpacken

Ein Teil der schlechten Stimmung ist allerdings eindeutig im Kreis der Mannschaft entstanden. Dutts Verhältnis zu Simon Rolfes und Michael Ballack, dem Kapitän und dem Vizekapitän, ist schwierig. Und Hanno Balitsch, ein weiterer Wortführer, wurde im Winter nach einem Konflikt mit dem Trainer nach Nürnberg abgeschoben. Robin Dutt sollte auch die Älteren etwas härter anpacken, als das unter Heynckes der Fall war, doch diese Aufgabe hat ihm allerhand Ärger eingebrockt.

Im Herbst reifte gar die Erkenntnis, dass Spieler wie Rolfes oder Kießling mittelfristig ersetzt werden müssen, der Dauerreservist Ballack, der sich am Sonntag beim Training an der Wade verletzte und gegen Barcelona ausfällt, geht sowieso. Weil das Team auch von vielen anderen Verletzungen gebeutelt wurde, ist dieses Spieljahr zu einer Übergangssaison geworden, nach der eine Mannschaft entstehen soll, deren Charakter nicht mehr von den alten Platzhirschen geprägt wird.

Die Champions-League-Spiele gegen Barca wirken in diesem Augenblick der Leverkusener Clubhistorie ziemlich deplatziert. Selten gab es einen deutschen Verein in einem Achtelfinale der Königsklasse, dem derart geringe Möglichkeiten auf das Weiterkommen eingeräumt wurden. Aber vielleicht liegt darin ja gerade die Chance.