Liberalismus statt Veggie-Days – dies fordert der Energieminister von Schleswig-Holstein Robert Habeck von den Grünen. Auch andere Poltiker raten, dass die Öko-Partei versuchen sollte, von der Europawahl enttäuschte FDP-Wähler zu gewinnen.

Stuttgart - Der Mann ist studierter Philosoph und kann wunderbar formulieren. Und so packte Robert Habeck im Herbst seinen Zorn über das Wahlprogramm der Grünen in süffisante Worte. Wie ein roter Faden, so der Energieminister von Schleswig-Holstein, habe die moralische Erziehung des Menschengeschlechts das Programm seiner Partei durchzogen. Anstatt die Bürger weiter mit Verboten, Veggie-Days und diversen Steuererhöhungen zu gängeln, sollten die Grünen „liberal im besten Sinne werden.“ Damit war sie in der Welt: die Liberalismusdebatte, die die Ökopartei seither kontrovers austrägt.

 

Zuletzt mahnte der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, aus der Niederlage der FDP bei der Europawahl am 25. Mai die richtige Lehre zu ziehen. Die Grünen sollten sich als Kraft der politischen Mitte verstehen und um enttäuschte ehemalige FDP-Anhänger werben: „Wir sollten die liberale Partei in Deutschland sein, denn eine relevante andere gibt es nicht mehr.“ Aus Sicht der Parteilinken führt dieser Ansatz schnurstracks ins Abseits. „Eine politische Strategie, die versucht, die knapp eine Million Wähler der FDP von der Europawahl für uns zu gewinnen“, sagt Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, „wäre eine tiefe Sackgasse und würde unseren Aufbruch verspielen.“ Natürlich solle sich die Partei mit dem Freiheitsbegriff auseinandersetzen. „Doch Grün bleibt dabei grün und wird nicht gelb, sonst sind wir verwelkt.“

Jubel über Rauswurf der Liberalen

Die Freiburger Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae wiederum betont, dass es nicht um die FDP-Anhänger von der Europawahl gehe. Bei der Bundestagswahl 2009 allerdings hätten mehr als sechs Millionen Bürger die Liberalen unterstützt: „Unser Ziel ist und bleibt der Umweltschutz sowie der Erhalt der Lebensgrundlagen für unsere Kinder.“ Es gebe viele Bürger, die weder eine große Koalition der teuren Kompromisse noch eine staatsgläubige Linke wollten. „Und die will ich auch für uns gewinnen“, meint Andreae. Dass die Liberalismusdebatte der Grünen so kontrovers verläuft, hat einen emotionalen und einen sachlichen Grund. Viele Grüne pflegen eine besondere Abneigung gegen die FDP. So wurde auf der Grünen-Party am Abend der letzten Bundestagswahl großer Jubel laut, als die Nachricht eintraf, dass die Liberalen aus dem Parlament geflogen waren. Kein Wunder also, dass viele Grüne ungehalten reagieren, wenn aus ihrer Partei der Ruf ertönt, frühere FDP-Anhänger zu gewinnen.

Dieser Ruf legt zudem eine Uneinigkeit bloß, die die Ökopartei mit sich herumschleppt. Für das Bundestagswahlprogramm, das mit Steuererhöhungen und Veggie-Day-Ideen kein bisschen liberal, sondern eher staatsgläubig war, begeisterten sich weniger Wähler, als die Grünen erwartet hatten. Der Frage jedoch, warum sie im September 2013 die Wahl verloren, weichen die Grünen aus. Während die Realos meinen, dass es am Programm lag, sehen Exponenten vom linken Flügel ein Vermittlungsproblem: Das eigentlich gute Programm sei schlecht vermittelt und von manchen Realos auch noch schlechtgeredet worden.

Lebendige Denkart

Die Ökopartei ist also uneins, ob sie überhaupt Grund hat, um Wähler aus der politischen Mitte zu werben. Und selbst wenn sie einmütig Kraft der Mitte sein wollte, hätte sie Mühe, es zu sein. Natürlich haben die Grünen als Bürgerrechtspartei seit jeher eine liberale Prägung. Ein liberales Projekt wie die Homo-Ehe zum Beispiel haben allein die Grünen durchgesetzt. Nur ist den Grünen seit jeher auch eine etatistische Prägung eigen – die Prägung, kräftig umzuverteilen und mit staatlicher Vorgabe ökologische und soziale Anliegen zu verwirklichen. Diese Denkart mag bei den baden-württembergischen und hessischen Grünen schwächer ausfallen als in anderen Landesverbänden – in Hessen steht die Basis gar so weit in der Mitte, dass sie ganz entspannt mit der einst von ihr so verschmähten CDU regiert. Lebendig ist die Denkart in der Gesamtpartei aber zweifellos. Und so kann niemand sagen, ob der Ansatz, liberal Gesinnte für die Ökologie zu gewinnen, gelingt.