Chaos im Leonberger Bürgeramt Wartende – quer über den Marktplatz

Wer Dokumente vom Bürgeramt benötigt, braucht eine große Ausdauer. Foto: Nathalie Mainka

Seit dem 2. April gibt es keine Online-Terminvergabe mehr für das Leonberger Bürgeramt. Die Menschen kommen persönlich und hoffen vergeblich auf Einlass.

Der erste Werktag nach Ostern, morgens nach acht Uhr. Eine Passantin, die über den Marktplatz eilt, wundert sich über die Menschenansammlung vor dem Alten Rathaus. „Ist das eine Hochzeitsgesellschaft?“ Nein, es ist die Warteschlange vor dem Leonberger Bürgeramt.

 

Bisher, also seit der Coronapandemie, konnten dort Termine nur online gebucht werden. Doch war es in den vergangenen Wochen äußert schwierig, wenn nicht gar unmöglich, überhaupt einen zu ergattern. Den Grund hierfür erklärte bereits die Stadtverwaltung: eine hohe Nachfrage und eine angespannte Personalsituation. Daher hatte der Leonberger Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD) noch vor den Osterfeiertagen die Entscheidung getroffen, die Online-Terminvergabe nicht mehr anzubieten. So könnten die Bürgerinnen und Bürger seit dem 2. April Termine im Bürgeramt wieder persönlich und spontan mit ihrem Anliegen zum Bürgeramt gehen. Theoretisch. Die Praxis sieht momentan anders aus – chaotisch.

Ohne Pass keine Reise

Den zusätzlich vom Oberbürgermeister angekündigten Termin am Mittwochmittag von 14 Uhr bis 16 Uhr wollte der Höfinger Dieter Riedel in dieser Woche wahrnehmen, nachdem er bereits in seinem Stadtteil vor verschlossener Tür stand sowie am Dienstagvormittag in der Kernstadt vergeblich vor dem Amt angestanden war. Der beinahe 70-Jährige will sich demnächst mit seiner Frau einen besonderen Urlaub zu seinem runden Geburtstag gönnen – in den Vereinigten Staaten oder auf einem Kreuzfahrtschiff. Um vorab die sogenannte Esta- Reisebewilligung zu beantragen, benötigt er aber die Nummer eines gültigen Reisepasses.

Sein aktueller läuft demnächst aus und ist für dieses Dokument also nicht mehr gültig. „Ich bin ein geduldiger Mensch, aber in der Zwischenzeit ziemlich fassungslos“, sagt der Rentner, der schon seit Februar vergeblich versuchte, einen Online-Termin zu erhaschen. „Im Leonberger Bürgeramt fehlt jemand, der organisatorisches Talent hat“, meint Riedel. Ihm würden die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung aber auch leid tun, denn sie könnten nichts für diese Situation. „Ihnen mache ich keinen Vorwurf, aber das sind einfach unmögliche Zustände, und nicht alle Menschen sind so geduldig“, so der Höfinger.

Security-Personal verteilt Wartemarken

An diesem Mittwoch war er um 13.20 Uhr auf dem Marktplatz und hatte bereits 20 wartende Menschen vor sich. Kurz vor 14 Uhr sei das Security-Personal gekommen, hätte zehn Wartemarken gezogen und diese verteilt. „Um 14.05 Uhr stand bereits ein Schild da, auf dem stand, dass es keine Wartemarken mehr gibt“, sagt der ziemlich verärgerte Dieter Riedel. In der Zwischenzeit standen die Menschen quer über den Marktplatz. Es sei zu lautstarken Protesten der Wartenden gekommen, die Stimmung war gereizt. Der Security-Mitarbeiter habe dann die Tür zum Rathaus verschlossen. „Kurz vor drei Uhr wurde allen Wartenden klar, dass tatsächlich Schluss ist an diesem Mittag, obwohl das Bürgeramt angeblich von 14 Uhr bis 16 Uhr offen sein soll. Alle wurden gebeten, am nächsten Tag wieder zu kommen.“

Mit Dieter Riedel in der Schlange seien unter anderem Mütter mit ihren Schulkindern gestanden, die sich diese Wartezeit nicht mehr leisten könnten, wenn in der kommenden Woche die Schule wieder beginnt. „Ein anderer Herr hatte schon den zweiten Urlaubstag genommen und musste erneut unverrichteter Dinge wieder gehen.“

Mitarbeitende aus anderen Fachbereichen helfen aus

Bei der Stadtverwaltung sucht man unterdessen nach Erklärungsversuchen. „Mit der aktuellen Regelung ohne Online-Terminvergabe gibt es zwar nicht weniger Anliegen, die auf die Mitarbeitenden zukommen, doch sie können flexibler reagieren“, sagt der Pressesprecher Sebastian Küster. „Ist beispielsweise eine Ummeldung schneller abgearbeitet als es der online gebuchte Zeitrahmen vorsah, vergeht keine Zeit, bis der nächste Bürger oder die nächste Bürgerin empfangen wird, weil die Wartenden schließlich bereits vor Ort sind“. Sowohl in den Ortschaftsverwaltungen als auch im Bürgeramt würden Bürgerinnen und Bürger, die an diesem Tag einen Termin online gebucht hätten, vorrangig termingerecht behandelt. Für alle Spontanbesuchenden komme es daher teils zu langen Wartezeiten. „Die Stadt bittet alle Bürgerinnen und Bürger um Verständnis“, sagt Sebastian Küster. Mit Beginn dieses Monats hätten zudem zwei neue Mitarbeitende beim Bürgeramt im Alten Rathaus ihren Dienst aufgenommen, die derzeit eingearbeitet werden müssten. „Die Stadtverwaltung geht davon aus, dass die Neubesetzungen schon bald zur Entlastung im Bürgeramt führen – und dadurch mehr Anliegen effizienter abgearbeitet werden können. Über die Stellenneubesetzungen hinaus helfen bereits Mitarbeitende im Bürgeramt aus, die eigentlich in anderen Fachbereichen tätig sind“, erklärt der Pressesprecher. Wieder in Kraft gesetzt worden sei seit dem 2. April eine Stele, an der Wartemarken gezogen werden müssten. Diese würden ausgegeben, sobald das Bürgeramt öffnet. Allerdings wird die Warteschlange nicht kürzer, wenn nur eine begrenzte Zahl vergeben wird.

Dieter Riedel hat in der Zwischenzeit in der Höfinger Ortschaftsverwaltung erfolgreich seinen neuen Pass beantragt. „Um 9 Uhr hatte ich es geschafft, aber die Warteschlange war schon da auf 15 Personen angewachsen. Alle konnten bis zur Schließung um 12 Uhr vermutlich nicht mehr bedient werden. Auch hier ist eine Security-Mitarbeiterin vor Ort.“ Denn überall würden die Geduldsfäden unter Hochspannung stehen.

Die Öffnungszeiten der Leonberger Bürgerämter

Kernstadt
Das zentrale Bürgeramt auf dem Marktplatz ist laut Stadtverwaltung ausschließlich zuständig für Bürger aus der Kernstadt. Die Öffnungszeiten sind hier: Montag 8 Uhr bis 12 Uhr und 14 Uhr bis 16 Uhr; Dienstag 8 Uhr bis 12 Uhr und 14 Uhr bis 16 Uhr; Mittwoch 14 Uhr bis 16 Uhr; Donnerstag 8 Uhr bis 12 Uhr und 14 Uhr bis 18 Uhr; mittwochvormittags und freitags ist das Bürgeramt geschlossen.

Warmbronn
Die Öffnungszeiten der Ortschaftsverwaltung Warmbronn (nur für Bürger aus Warmbronn): Montag und Mittwoch von 8 Uhr bis 12 Uhr; Donnerstag 8 Uhr bis 12 Uhr und 16 Uhr bis 18 Uhr.

Höfingen/Gebersheim
Wegen Krankheit sind diese Ortschaftsverwaltungen (nur zuständig für Höfinger und Gebersheimer) aktuell folgendermaßen geöffnet: Höfingen: Montag 8 Uhr bis 12 Uhr; Mittwoch 8 Uhr bis 12 Uhr; Donnerstag 8 Uhr bis 12 Uhr Gebersheim: Dienstag 8 Uhr bis 12 Uhr; Donnerstag 15 Uhr bis 18 Uhr. Freitags sind alle drei Ortschaftsverwaltungen regulär geschlossen.

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