Politik: Matthias Schiermeyer (ms)
Die Hilfsorganisationen wissen seit Monaten, dass irakische Truppen Mossul erobern wollen. Konnten sich also gut vorbereiten?
Weil sich die internationale Gemeinschaft darauf einstellen konnte, läuft es im Falle Mossul ganz gut. 70 000 Flüchtlinge sind schon in Camps untergebracht. Es gibt noch Kapazitäten für bis zu 40.000 weitere Plätze, und es wird an weiteren Camps gearbeitet. Man richtet sich auf eine große Zahl von Flüchtlingen ein. Der UN-Hilfsfonds für den Irak ist auch halbwegs gut finanziert mit 89 Prozent. Wir können aber nicht für eine Million Menschen Camps errichten und schauen, ob sie dann auch kommen. Das wäre zu teuer, deswegen geht man schrittweise vor. Bei massiven Vertreibungen lassen sich sehr schnell neue Plätze aufbauen. Die Diakonie Katastrophenhilfe hat eine Unterstützung von 700 000 Euro vom Auswärtigen Amt bekommen und verteilt vor allem Nahrungsmittel über ihre Partner vor Ort.
Woran fehlt es den Flüchtlingen vor allem – auch an psychosozialer Betreuung?
Die psychosozialen Bedarfe bei Menschen, die länger unter so einer Herrschaft gelebt haben, versklavt wurden und als menschliche Schutzschilde missbraucht wurden, sind groß. Im Falle Mossul ist das vielen aber bewusst, so dass man versucht, entsprechende Hilfsstrukturen vorzuhalten.
Wie ist Ihre Perspektive für die Menschen aus Mossul?
Momentan handelt es sich um eine akute Notsituation. Langfristig muss man sehen, was passiert: Wenn das Gebiet mal befreit werden sollte, ist eine Rückbesiedelung von Mossul das wichtigste Ziel. Es wird viele Geflüchtete geben, die in Camps bleiben müssen – das ist für uns immer die schlechteste Lösung. Wir versuchen Menschen zu unterstützen, die bei Familien unterkommen. Allerdings ist der IS mit der Einnahme von Mossul nicht erledigt. Die gehen dann nach Syrien rüber, so dass dort neue Probleme auftauchen. Bis die Region befriedet ist, dürfte es viele Jahre dauern.
Bei Kriegskonflikten ist die Spendenbereitschaft gewöhnlich nicht so groß?
Richtig, die Spendenbereitschaft ist bei Naturkatastrophen generell größer als bei Kriegen. Für Syrien ist sie dennoch nicht so schlecht. Die Solidarität ist hier durchaus zu erkennen. Doch ist der Bedarf ungleich größer: Wir könnten ganz sicher sehr viel mehr Spenden umsetzen, wenn wir sie bekämen.