Still und leise ist Günther Oettinger in Brüssel zum Haushalts- und Personalkommissar aufgestiegen - trotz der Affäre um seine Schlitzaugen-Rede. Europaabgeordnete sind empört über das Verfahren.

Brüssel - Das Beförderungsschreiben für Günther Oettinger kam pünktlich zum Fest. Kurz vor Weihnachten besiegelte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nahezu unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit Oettingers Ernennung zum obersten Verantwortlichen für den EU-Haushalt. Als Sahnehäubchen gab es noch die Zuständigkeit für das Personalwesen der Brüsseler Behörde dazu. Seit dem 1. Januar darf sich der frühere baden-württembergische Ministerpräsident offiziell EU-Kommissar für Haushalt und Personal nennen. Vorbei sind die Zeiten, in denen er als Digitalkommissar von manch einem eher mitleidig belächelt als geachtet wurde.

 

Der neue Job beginnt für Oettinger allerdings mit einem eher unangenehmen Termin. An diesem Montagabend muss er im EU-Parlament bei einer Anhörung Rede und Antwort stehen - und dort sind etliche Abgeordnete wenig angetan von der Beförderung des gebürtigen Stuttgarters.

Rücktrittsforderungen wurden laut

„Insbesondere seine abwertenden Aussagen gegenüber Chinesen und sein Kommentar zur „Pflicht-Homoehe“ lassen Zweifel zu, ob er als Personalkommissar geeignet ist“, kommentiert der SPD-Europaabgeordnete Jens Geier. Er spielt damit auf eine launige Rede Oettingers Ende Oktober in Hamburg an, in der dieser Chinesen als „Schlitzaugen“ bezeichnet und missverständliche Äußerungen über die Homo-Ehe und die Frauenquote gemacht hatte. Die Affäre hatte letztlich sogar zu Rücktrittsforderungen geführt, weil sich der 63-Jährige fast eine Woche geweigert hatte einzugestehen, einen Fehler gemacht zu haben.

Obendrein war wenig später auch noch bekannt geworden, dass Oettinger im Mai im Privatjet des früheren Daimler-Managers und russischen Honorarkonsuls Klaus Mangold zu einem Abendessen mit dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban geflogen war. Kritiker vermuten entgegen der Meinung der EU-Kommission einen Verstoß gegen Ethikregeln der Brüsseler Behörde, deren Mitarbeiter keine Geschenke im Wert von mehr als 150 Euro annehmen dürfen.

Für noch mehr Unmut als die Affären an sich sorgt im Europaparlament aber die Tatsache, dass EU-Kommissionschef Juncker Oettinger bereits vor der Anhörung der zuständigen Ausschüsse befördert hat. „Junckers Entscheidung, nicht einmal die Anhörung im Parlament abzuwarten, ist eine inakzeptable Machtdemonstration“, schimpft der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold.

Oettinger kann noch auf Titel des Kommissionsvizepräsidenten hoffen

Auch wenn Juncker mit seiner Ernennung nicht die formalen Regeln zu Funktionswechseln innerhalb der EU-Kommission breche, sei die Entscheidung „eine drastische Verletzung des Prinzips der guten Kooperation zwischen den EU-Institutionen und eine schwere Bürde für Oettinger“. Auch der SPD-Abgeordnete Geier kritisiert, Junckers Entscheidung grenze an einer „Missachtung des Parlaments“.

Für Oettinger ist all dies unangenehm, aber verkraftbar. Er dürfte wohlwollend wahrgenommen haben, dass ihm trotz aller Kritik kaum jemand die Fähigkeit abstreitet, das ebenso wichtige wie komplexe EU-Haushaltsressort gut führen zu können. Nachdem seine Beförderung trotz der jüngsten Affären unter Dach und Fach ist, kann der Deutsche sogar noch hoffen, den Titel Kommissionsvizepräsident zu bekommen. Einer der sieben Titel wurde zuvor von der bisherigen Haushaltskommissarin Kristalina Georgiewa geführt, die zum 1. Januar zur Weltbank wechselte.

Juncker werde zu gegebener Zeit eine Entscheidung treffen, sagte jüngst eine Sprecherin. Vielleicht will der Luxemburger zumindest diese Beförderung davon abhängig machen, wie die Anhörung Oettingers im Parlament läuft.