Von Sommer 2019 an steuert die recht unbekannte Privatfirma Go-Ahead unter anderem die Remsbahn von Stuttgart nach Aalen. Konzernchef Stefan Krispin erklärt, was das für die Fahrgäste bedeutet.

Rems-Murr-Kreis - Vor rund einem Jahr ist die Überraschung perfekt gewesen. Nicht die Deutsche Bahn hat die Ausschreibung des Landes zur Remsbahn, Filsbahn, Frankenbahn und der Strecke nach Karlsruhe gewonnen, sondern die bislang hier unbekannte Firma Go-Ahead, die deutsche Tochter eines britischen Unternehmens. Im Interview erklärt deren Chef Stan Krispin, was sich mit der Umstellung für die Fahrgäste konkret ändert.

 
Herr Krispin, die Remsbahn und die Filsbahn werden von staatseigenen Gesellschaften betrieben. Ihre private Firma übernimmt diese Strecken. Viele Fahrgäste sind zurzeit wenig zufrieden. Wird 2019 alles besser?
Wenn man vergleicht, was die Fahrgäste bisher gewohnt sind – ja. Wir kommen mit neuem Rollmaterial und damit ganz anderem Komfort für die Fahrgäste. Auch die bessere Taktung ist ein Vorteil. Wir haben zudem neuen Elan und eine hohe Motivation, durch Qualität zu überzeugen. Wir wollen ein ganz anders Bild abgeben als das, was man im Ländle vielleicht bisher gewohnt ist.
Go-Ahead gibt es nicht allzu lange in Deutschland. Als Sie vor zwei Jahren dort eingestiegen sind, hat man Sie sicherlich gefragt, wie Sie den deutschen Markt gewinnen können. Was haben Sie geantwortet?
Wir sind zwar ein Neuling im deutschen Markt, aber ein alter Hase im englischen Markt. Go-Ahead ist in den 1980er-Jahren als Betreiber von Busverkehren entstanden, in den 1990er-Jahren kam der Schienenverkehr hinzu. Wir haben sehr viel Erfahrung und eine klare Strategie, in Deutschland das Geschäft mit Wissensträgern aus dem deutschen Schienenbereich aufzubauen. Uns ist bewusst, dass wir hier die große Chance haben, eine neue Firma zu etablieren und die positiven Erfahrungen nach vorne zu treiben.
Wie möchten Sie dies konkret umsetzen?
Wenn ich die Vision unserer englischen Mutter mal etwas frei übersetze: Für uns ist jede Fahrt die wichtigste. Ein Betreiber hat allerdings nur die Möglichkeiten, die er selbst kontrollieren kann. Was wir nicht kontrollieren können, das können wir nicht beeinflussen.
Was das Zugmaterial betrifft, so ist man speziell im Remstal keinen Luxus gewöhnt. Was bieten Sie den Fahrgästen?
Wir bieten neue Züge der Firma Stadler vom Typ Flirt. Diese sind barrierefrei, es gibt erste und zweite Klasse, W-LAN. Heizung und Kühlung werden funktionieren, wir werden komfortable Sitze haben – und sind pünktlich, soweit wir dies beeinflussen können.
Und es gibt einen Sitzplatz für jeden, der einsteigt?
In der der Ausschreibung gab es klare Vorgaben, die auf validen Untersuchungen zum Fahrgastaufkommen beruhen. Innerhalb dieser festgelegten Kapazitätsgrenzen wird jeder Fahrgast seinen Platz haben. Unser Vertrag mit dem Land sieht außerdem Regelungen zur Anpassung der Kapazitäten während der Vertragslaufzeit vor, zum Beispiel wurden mit dem Fahrzeughersteller Optionen zur Nachbestellung von Fahrzeugen vereinbart.
Zurzeit sind viele Regionalzüge unpünktlich. Zwar gehört das Bahnnetz nicht in Ihrem Organisationsbereich – haben Sie dennoch Möglichkeiten, darauf einzuwirken, dass dieser Zustand besser wird?
Wir übernehmen die Strecke zwar erst im Juni 2019, aber nehmen das Thema jetzt schon sehr ernst. Wir werden regelmäßige Besprechungen mit DB-Netz haben, um diese Themen zu diskutieren und darauf hinzuarbeiten, dass im Juni 2019 viele Themen erledigt sind.
Man kann sich also auf pünktlichere Züge einstellen?
Ich denke, ja. Die DB-Netze hat jetzt ihren Baustellenplan veröffentlicht. Es gibt viel anzupacken. Wir wissen aber natürlich noch nicht, was DB-Netze für 2019 plant.
Im Remstal kommt der Halbstundentakt bis nach Aalen. Kommt im Filstal der Halbstundentakt bis Geislingen?
Grundlage der Ausschreibung war der Halbstundentakt bis Süßen. Die Gespräche über eine Anpassung des Betriebskonzeptes werden noch nicht geführt.
Wie möchten Sie Go-Ahead hierzulande bekannt machen?
Wir haben uns auf Veranstaltungen in Essingen und Heilbronn vorgestellt und intensiv mit Bürgermeistern, Verbünden und Gewerkschaften diskutiert. Wir wollen, dass die Menschen die Prinzipien der Firma kennen. Dazu gehört neben Qualität und sozialer Verantwortung, ein Top-Arbeitgeber zu sein. Dazu gehört auch die Energieeffizienz im Betrieb. Wir wollen ein verlässlicher regionaler Partner sein.
Schaffner wird es weiterhin geben?
Natürlich. Wir werden Personal und eine eigene Werkstatt aufbauen, vor Ort Büros und ein Team haben, das verantwortlich für diese Strecken ist. Wir rechnen mit rund 300 eigenen Mitarbeitern im Ländle.
Wie möchten Sie die Mitarbeiter gewinnen?
Wir werden über einen Kooperationsvertrag mit der Regionalstelle der Bundesagentur für Arbeit bei der Findung von Mitarbeitern unterstützt. Wir sind auf Jobmessen aktiv und nutzen digitale Kanäle, um in der Region und deutschlandweit Interessenten zu finden. Und wir haben ein eigenes, zertifiziertes Ausbildungssystem, das gerade gestartet ist.
Finden Bahnbedienstete, die sich zu Go-Ahead orientieren, dort eine bessere Kultur vor und auch eine bessere Bezahlung?
Wir sind jung, effizient und modern. Das steht für eine gefragte Arbeitgeberkultur. Jeder Mitarbeiter ist uns wichtig und soll sich wohlfühlen, Spaß haben, gute Arbeit leisten und sich persönlich entwickeln. Die Bezahlung dafür ist natürlich marktgerecht. Wir verhandeln mit den Gewerkschaften und werden Tarifverträge unterzeichnen. Ich denke, wir können ein attraktives Paket anbieten.
Ihr Verkehrsvertrag mit dem Land geht bis zum Jahr 2032. Was meinen Sie: Wie wird man bis dahin über Go-Ahead denken?
Man wird uns als verlässlichen und selbstverständlichen Partner des täglichen Lebens sehen und hoffen, dass wir die Ausschreibung wieder gewinnen.
Man wird über Sie besser denken als heute über die DB?
Absolut. Ziele muss man haben.

Zur Person

Stationen: Stefan Krispin ist 48 Jahre alt und stammt aus Augsburg. Nach dem Studium der Elektrotechnik war er international für Beratungsfirmen tätig, die voll automatisierte Züge entwickelten. Danach wechselte Krispin zu Bombardier, wo er Kosten-, Angebots- und Projektmanagement betreute. Seit 2014 ist er Geschäftsführer von Go-Ahead Deutschland.

Firma: Go-Ahead beschäftigt in Großbritannien 26 000 Mitarbeiter und befördert rund 30 Prozent aller Bahnreisenden. Zudem betreibt die Firma 4600 Busse, darunter die berühmten roten Doppeldecker an der Themse.