Chef von VW und Porsche Das Ende eines kühnen Experiments – Oliver Blume verlässt Porsche

Oliver Blume muss seine Kräfte nun darauf konzentrieren, den Volkswagen-Konzern in die Spur zu bringen. Foto: Marijan Murat/dpa

Oliver Blume hat den Porsche-Konzern von einem Erfolg zum nächsten geführt. Doch mit dem Projekt, zugleich auch den VW-Konzern zu führen, hat sich Blume übernommen.

Automobilwirtschaft/Maschinenbau : Klaus Köster (kö)

An Selbstbewusstsein hat es Oliver Blume noch nie gefehlt, und doch unterscheidet er sich in einem Punkt von vielen anderen seiner Managerkollegen: Dass er sich zu Größerem, ja sogar zu Größtem berufen fühlt, merkt man seinem Habitus nicht an. Blume ist immer nahbar und freundlich – ob auf der Bühne von Veranstaltungen, auf Pressekonferenzen oder im Gespräch. Er hört konzentriert zu, saugt jedes Wort seines Gegenübers auf und hat in Sekunden eine druckreif formulierte, durchstrukturierte Antwort parat.

 

Wie selbstbewusst er ist, zeigt sich eher daran, was er sich und Porsche zutraut. Als er vor drei Jahren zusätzlich zu seinem Chefposten bei Porsche auch die Führung des um ein Vielfaches größeren Volkswagen-Konzerns übernahm, machte er keinen Hehl daraus, dass dies auch damit zu tun hatte, wie er Porsche in den sieben Jahren zuvor geführt hatte.

Von Porsches Problemen konnten andere nur träumen

Porsche war in der Tat ein Autokonzern, von dessen Problemen die Konkurrenz nur träumen konnte: Was auch immer Porsche auf den Markt brachte, traf den Geschmack des Publikums – ob es der Geländewagen Macan war, der vollelektrische Supersportwagen Taycan oder die immer neuen ultraleistungsfähigen Sondermodelle. Die Renditen flossen verlässlich in zweistelliger Höhe. Mochte die Weltwirtschaft kriseln – das Porsche-Klientel schien immun zu sein.

Der Taycan war jahrelang das Erfolgsmodell – nun symbolisiert er die Probleme von Porsche. Foto: Imago/VCG

Obwohl Porsche wie ein Selbstläufer erschien, waren die Börsen von Tag eins an skeptisch bis ablehnend gegenüber Blumes Doppelrolle. Kann er wirklich für längere Zeit beide Konzerne mit der notwendigen Intensität und Aufmerksamkeit leiten? Kann er sich bei beiden Dax-Konzernen tief genug in die Arbeit knien, um Probleme rechtzeitig zu erkennen und gegenzusteuern?

Solche Zweifel an der Doppelrolle wischte Blume ebenso freundlich wie stoisch mit dem Argument beiseite, genau das Gegenteil sei der Fall: Die Rolle bei Porsche verschaffe ihm die Nähe zu Produkten und Prozessen, die ihm als Chef des riesigen Volkswagen-Konzerns nur zugute kommen könne.

Porsche setzte früh massiv auf E-Autos

Drei Tage Porsche, drei Tage VW, am Sonntag gelegentlich auch mal etwas Privates – so sieht nach eigenem Bekunden die Arbeitswoche Blumes aus. Möglicherweise wäre das Konstrukt noch länger gut gegangen, hätte sich die Welt der Automobilindustrie nicht in kurzer Zeit dramatisch verändert.

Porsche zeigte zu viel Optimismus bei der E-Mobilität

Porsche hatte sich schon vor Jahren entschlossen, massiv auf E-Autos zu setzen und die Möglichkeiten von Batterie und E-Motor ebenso auszureizen wie bisher die des Verbrennungsantriebs. In guten Jahren verkaufte sich der Taycan 40 000 Mal und galt als Beweis, dass Porsche auch in Zeiten des technologischen Umbruchs ein glückliches Händchen bei der Modellpolitik hat.

Auch in China läuft es nicht nach Plan

Doch dann brach die Nachfrage ein – die E-Begeisterten waren versorgt, die Skeptiker warteten ab, wenn sie überhaupt den Kauf eines E-Autos in Betracht zogen. Anders als sonst konnte sich Porsche dieses Mal nicht vom Markttrend absetzen. Das galt auch in China, dessen wirtschaftliche Probleme diesmal auch die reichen Porsche-Käufer trafen, deren Gelder in nur noch schwer verkäuflichen Immobilien festsaßen und nicht mehr zum Kauf eines Autos zur Verfügung standen. Diese Probleme bestehen bis heute. Das Flaggschiff Taycan brach ein, die Produktion in Zuffenhausen wurde gekürzt – eine Entwicklung mit Symbolwert. Zu den Konsequenzen zählt ein heftiges Sparprogramm.

Auch Volkswagen bekam noch mehr Probleme als ohnehin schon vorhanden waren. Jahrzehntelang war das Unternehmen, dessen Santana einst das Autofahren nach China brachte, dort unangefochtener Marktführer – bis es 2023 von BYD verdrängt wurde. Der Rückstand wuchs und wuchs, und die traditionell hohen Kosten am Standort Deutschland machten es nicht besser. Kurz vor Weihnachten 2024 verabschiedete Volkswagen ein riesiges Sparpaket, das unter anderem den Abbau von 35 000 Arbeitsplätzen vorsieht.

Interne Querelen erschwerten die Führung

Je größer die Probleme, desto lauter stellten die Börsen Blumes Doppelrolle infrage. Noch drängender stellte sich die Frage, nachdem im Porsche-Vorstand schwelende Querelen offen zutage getreten waren. Denn Lutz Meschke, der nicht minder selbstbewusste Stellvertreter Blumes, machte nie einen Hehl daraus, dass er sich für den Richtigen an der Spitze des Unternehmens hielt. Doch dem heute 59-Jährigen lief langsam die Zeit davon, weshalb er seine Ambitionen offenbar so nachdrücklich gegenüber den Eigentümerfamilien vertrat, dass er im Februar gehen musste – und mit ihm der glücklose Vertriebschef Detlev von Platen. Dabei war Meschke zuvor einmal die große Stütze gewesen, die es Blume erlaubte, Porsche praktisch in Teilzeit zu führen.

Neuanfang auf der ganzen Linie?

Auch im Volkswagen-Vorstand zeigten sich Risse. Ausgerechnet den langgedienten Personalvorstand Gunnar Kilian, den einstigen Generalsekretär des VW-Betriebsrats, erwischte es. Von einem Tag auf den anderen musste er gehen – offenbar im Konflikt mit den Arbeitnehmervertretern, zu deren obersten Repräsentanten er lange gezählt hatte. Das zeigt, wie groß der Unmut auch bei VW über den Sparkurs ist, den Kilian allerdings nicht erfunden hat. Einen Neuanfang auf dem Posten des Arbeitsdirektors hatten die Belegschaftsvertreter gefordert. Doch meinen sie in Wahrheit nicht einen Neuanfang auf ganzer Linie?

Vielleicht hätte die Doppelrolle in ruhigeren Zeiten funktioniert

In Teilzeit lässt sich angesichts all dieser Entwicklungen weder der eine noch der andere Job Blumes erledigen. Mag sein, dass seine Doppelrolle in anderen Zeiten funktioniert hätte – doch die Realität hat sich in einer Weise entwickelt, dass dieses kühne Führungsexperiment aus der Zeit gefallen war. Nach langem Zaudern stellt sich VW Nun auf die Realität ein. Wie der Aufsichtsrat entschieden hat, soll sich Blume bald auf den Mutterkonzern konzentrieren. Auch ohne den Job als Porsche-Chef wird ihm genügend Arbeit für eine Sechs-Tage-Woche bleiben.

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