Chefket zeigt am Dienstagabend im ausverkauften Im Wizemann, dass Stimmvolumen und ehrliche Texte für ein gelungenes Konzert genügen.

 

Stuttgart - „Das ist meine Zeit ich hab’ den Wecker gestellt, aufgewacht, der glücklichste Rapper der Welt“, spricht er im coolen Flow ins Mikrofon, während er über die Bühne schlendert. Die Backgroundsängerinnen schnipsen mit den Fingern, der DJ nickt zum Beat. „Chefket ist der glücklichste Rapper der Welt“, ruft ihm das Publikum entgegen. Und ja, sie haben recht. Als am Dienstagabend Rapper Chefket mehr als 1,5 Stunden im ausverkauften Wizemann spielt, scheint er wahrhaftig glücklich zu sein.

Mitten in seiner Show unterbricht er sogar einen Song, haut ein „Boah Stuttgart, das ist echt krass“, raus und steigt dann wieder ein: Der Sound ist laut, die Melodie animiert zum Wippen, es ist der Oldschool Beat, der schon in den 90er die Hip-Hop-Heads zum Nicken brachte, und meist aus Soul oder Blues Samples und melodischen Rhythmen besteht, und mit Gesang und klassischen Instrumenten unterstützt wird. Seine Sängerinnen Flinte und Wanja Janeva glänzen mit Solostücken, Letztere überzeugt nicht nur mit einer Stimme à la Mariah Carey, sondern beeindruckt zugleich an der E-Geige. Dann spielt auch noch DJ Jonny am Piano und Chefket stoppt mit dem Reimen und singt: „Ich bin Rap, ich bin Soul, ich bin Jazz, Rock ‚n‘ Roll.“ Diese Stimme „geht wie Öl runter“, würde man sprichwörtlich sagen. Oder auch: unter die Haut.

Was Chefket singt, spürt man. Was er sagt, versteht man. So auch in dem performten Stück „MCee“, in dem er über seine Kindheit und sein Leben in zwei Kulturen spricht:

(Sie pressten uns damals schon in 'ne Schublade rein/ Alle leben in einer Welt, aber du lebst in zwei/ Deswegen fiel es uns auch in der Schule nicht leicht/ Viel Liebe, doch sie können uns Hausaufgaben nicht erklär’n/ Der Vater hinter'm Fließband, die Mutter hinter'm Herd).

Rappen auf türkisch

Wer Chefket kennt, weiß, dass er Sohn türkischer Einwanderer ist und in Heidenheim an der Benz aufwuchs. Wer nicht, merkt es spätestens, als auf türkisch rasant zu rappen beginnt. Das Publikum ist begeistert, könnte wie er nicht kulturell unterschiedlicher sein - auch was das Alter betrifft. Das mag daran liegen, dass Chefket sich textlich mit politischen und kulturellen Themen auseinandersetzt oder auf der Bühne wirklich nur Musik wirken lässt und von Showeinlagen absieht. So singt er mal dreistimmig mit seinen Sängerinnen oder baut kurz elektronische Töne oder Jazz ein. Bei „Schritt Zurück“ tritt er sogar selbst in den Hintergrund und fordert das Publikum auf, einen Kreis zu bilden und zu tanzen - sie kommen der Aufforderungen nach, hören auf den Beat, vergessen fast, dass Chefket auf der Bühne steht. Ein wenig erinnert das Szenario an die diesjährige Performance von Rapper Eko Fresh auf den Hip-Hop Open.

Dort trat Chefket bei Fresh als Überraschungsgast auf und sie performenten „Quotentürke“, während die Menge nur tanzte. Ja, es ist nicht Chefkets erster Auftritt am Dienstag in Stuttgart. Zwei Hip-Hop Open (2013, 2015), eine Tour mit Marteria, mit Megaloh und mit Leslie Clio hat der 33-Jährige schon hinter sich. Drei Alben und mehrere EPs sind bisher draußen. Und er freut sich, dass seine Fans im Wizemann die Texte alle mitsingen können. „Davor hatte ich Angst“, sagt er auf der Bühne - auf der er insgesamt 1,5 Stunden steht und drei bis vier Zugaben spielt, „dass keiner mitsingt.“ Am Ende ist das Publikum, vielleicht neben Chefket, am Dienstag das glücklichste auf der Welt. Zumindest für einen Abend.

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