Eine Nachricht heißt Nachricht, weil man sich nach ihr richten können muss. Das setzt Vertrauen in das Medium voraus. Ein Plädoyer für die StZ.

Chefredaktion: Joachim Dorfs (jd)
Stuttgart - "Die Weltsicherheit wird vorbereitet". So lautete die Titelzeile der Stuttgarter Zeitung am 18. September 1945. Unter heute kaum vorstellbaren Bedingungen wurden die ersten Ausgaben im Tagblattturm erstellt, doch die Menschen rissen den Machern um den Gründungsherausgeber Josef Eberle die StZ aus den Händen. Papier war knapp, und Nachrichten waren nur schwer zu beschaffen, aber die Leser dürsteten nach verlässlichen Informationen.

Heute, 65 Jahre später, gibt es Informationen im Überfluss. An jedem größeren Bahnhofskiosk liegt eine vierstellige Zahl von Zeitungen und Magazinen aus, Satellitenschüsseln bringen mehr als 1000 Fernsehkanäle in die Wohnzimmer, im Internet ist so ziemlich jedes Byte an Informationen in jeder beliebigen Darreichungsform abrufbar, Facebook bringt als soziales Netzwerk Millionen zusammen, Twitter versorgt alle mit Mitteilungen in Echtzeit. Doch eines hat sich nicht verändert: die Notwendigkeit von verlässlichen Informationen.

Informationen nutzbar machen


Die Internetplattform Wikileaks hat gerade fast 92.000 bisher unveröffentlichte Dokumente zum Afghanistaneinsatz der alliierten Truppen online gestellt. 92.000 Dokumente! In der schieren Masse werden die wahren Verhältnisse am Hindukusch nicht deutlicher-im Gegenteil. Erst die Trennung in Wichtiges und Belangloses, nach einer wochenlangen Sichtung vorgenommen, macht Information nutzbar und sinnvoll. Es waren am Ende Journalisten, unter anderem vom Nachrichtenmagazin "Spiegel" und vom britischen "Guardian", die sich durch diesen "information overload" wühlten und die notwendige Einordnung vornahmen.

Eine Nachricht heißt Nachricht, weil man sich nach ihr richten kann oder soll. Dafür muss der Adressat einer Nachricht aber dem Absender vertrauen können, vor allem seiner Wahrhaftigkeit und seinem Urteilsvermögen. Ist die Information gesteuert? Ist sie neu? Und ist sie überhaupt wichtig, ist sie es also wert, dass man sich nach ihr richtet? Am Ende schließlich muss der Empfänger die Hintergründe der Nachricht verstehen, um die richtigen Konsequenzen ziehen zu können.

Dies alles ist ein Plädoyer für den Journalismus. Ein Medium, das von Journalisten gemacht wird, hat den Anspruch, professionell und unabhängig zu sein. "Wir zeichnen uns aus durch Seriosität, Zuverlässigkeit, Gründlichkeit, Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit", heißt es im Leitbild, das sich die Redaktion der Stuttgarter Zeitung, die in der Zwischenzeit ins Pressehaus in Möhringen umgezogen war, gegeben hat. Diese Maxime bestimmt auch heute noch das redaktionelle Handeln. Das ist der Anspruch, an dem wir uns messen lassen müssen.

Der Wahrheit verpflichtet


Natürlich gibt es gute und schlechte Journalisten; Journalisten, die besser als andere wichtige von unwichtigen Nachrichten trennen können, die besser erläutern und Hintergründe aufzeigen können als andere. Es gibt auch Fehleinschätzungen, und auch die Stuttgarter Zeitung hat gute und weniger gute Tage. Doch alle Journalisten eint der Anspruch, unabhängig zu berichten, der Wahrheit verpflichtet zu sein und eine Information wegzulassen, wenn sie zweifelhafter Herkunft oder schlicht belanglos ist. Darauf kann der Leser sich verlassen.

Dies unterscheidet professionelle Medien, ob sie in gedruckter, gesendeter oder auch in gepixelter Form verbreitet werden, von sozialen Netzwerken oder einigen Blogs. Natürlich gibt es Blogger wie etwa den Bachmannpreisträger Peter Glaser, der sich über die Jahre unter http://www.stuttgarter-zeitung.de/glaserei » einen Ruf erarbeitet hat und der einen neuen und wichtigen Beitrag zum Medienangebot leistet. Doch es gibt eben auch die ungeordneten Informations- und Meinungsklumpen, die sich in diversen Blogs und sozialen Netzwerken versammeln. Die Zahl der Informationen, die sich auf Facebook, Twitter & Co. findet, ist wesentlich größer als in der Stuttgarter Zeitung oder anderen Medien. Und es informieren sich immer mehr Jüngere über solche Netzwerke als via Zeitung, Fernsehen oder journalistische Internetangebote. Doch die Hintergründe, die Einordnung oder schlicht der Wahrheitsgehalt einer Meldung lassen sich an den klassischen Medien vorbei nicht immer herausfinden. Und oft werden unter dem Deckmantel der Kommunikation von Gleich zu Gleich schlicht interessengesteuerte Meldungen verbreitet.

"Ein Journalist gehört zwischen die Stühle"


Gerade im Lokalen gibt es Dutzende von Foren, in denen Bürgerjournalisten ihre Informationen und Ansichten austauschen. Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen, zeigen diese Foren und die darin geäußerten Meinungen, welche Themen Teile der Bevölkerung umtreiben. Eines sind sie jedoch oft nicht: eine verlässliche Quelle für Informationen. Es ist nicht alles falsch, was dort verbreitet wird, aber auch nicht alles richtig.

"Ein Journalist gehört zwischen die Stühle", sagt unser ehemaliger stellvertretender Chefredakteur und Lokalchef Martin Hohnecker. Da hat er recht, und unsere Redaktion spürt diese unbequeme Sitzposition fast jeden Tag, unter anderem in den Reaktionen zu unserer Stuttgart-21-Berichterstattung, die einigen Befürwortern zu negativ und einigen Gegnern zu positiv ist. Für viele Leser ist die Stuttgarter Zeitung ein treuer, vielleicht nicht immer bequemer, auf jeden Fall aber verlässlicher Begleiter durch 65 Jahre Geschichte gewesen. Insofern ist dies auch ein Plädoyer für die Stuttgarter Zeitung.

Die StZ wird sich weiter verändern, ihre Inhalte werden auch auf anderen Kanälen verfügbar sein - ob im Internet oder auf mobilen Geräten. Hinter jedem Angebot wird jedoch immer ein Journalist stehen, der die Nachrichten wägt und gewichtet - nach bestem Wissen und Gewissen.