Als weltgrößter Autozulieferer ist Bosch besonders von der Transformation der Branche hin zu Elektromobilität und Digitalisierung betroffen, denn mit 42 Milliarden von insgesamt 71,5 Milliarden Euro Konzernumsatz ist die Mobilitätssparte, die Hartung verantwortet, die mit Abstand wichtigste Umsatzsäule des Konzerns mit seinen rund 400 000 Beschäftigten. In einem Interview sprach Bosch-Chef Volkmar Denner jüngst nicht ohne Grund von einem „Schicksalsjahr“ für die Autoindustrie.
Wandel meistern
Derzeit wetteifern die Autobauer um den schnellstmöglichen Ausstieg vom Verbrenner, was einen Zulieferer wie Bosch, der Milliardenumsätze mit Komponenten für Diesel- und Benzinmotorenmacht, besonders hart trifft. Zwar holt Bosch in Sachen Elektromobilität mächtig auf, investiert allein in diesem Jahr dafür 700 Millionen Euro und will den Bereich bis 2025 auf etwa fünf Milliarden Umsatz verfünffachen. Doch wegfallende Umsätze lassen sich damit nicht kompensieren, und die Beschäftigung in den Werken lässt sich damit nicht sichern – die Wertschöpfung beim E-Auto ist niedriger, weshalb auch weniger Jobs benötigt werden. Auf Köpfe gerechnet liegt das Beschäftigungsverhältnis Diesel zu Benziner zu E-Auto bei 10:3:1.
Jobs sichern
Die größte Herausforderung für den neuen Bosch-Chef Hartung dürfte sein, den mit dem Herunterfahren von Entwicklung und Fertigung von Komponenten für den Verbrenner einhergehenden Personalabbau möglichst sozial verträglich zu schaffen und neue zukunftsträchtige Produkte an die betroffenen Standorte zu holen. Manches ist schon im Gange – etwa mit der Brennstoffzelle, doch das reicht längst noch nicht aus, um wegfallendes Geschäft zu kompensieren.
Rächt sich der Verzicht auf Batteriezellen?
Bosch kämpft für Technologieoffenheit bei alternativen Antrieben und trommelt für die Einführung von synthetischem Kraftstoff. Ob Hartung damit Erfolg hat, ist fraglich. Denn in der Branche scheint alles auf batterieelektrische Fahrzeuge hinauszulaufen. Womöglich rächt es sich, dass Bosch vor einigen Jahren beschlossen hat, keine Batteriezellen zu fertigen.
Im Strudel des Abgasskandals
Die Quittung für manche Entscheidungen kommt oft erst Jahre später, das hat sich beim Dieselskandal gezeigt. Bosch hat 2019 ein Bußgeld in Höhe von 90 Millionen Euro gezahlt. Der Vorwurf: Bosch soll Millionen Geräte an Autohersteller geliefert haben, deren Software teilweise unzulässige Abschalteinrichtungen enthielt. Der Zulieferer soll damit am Dieselbetrug beteiligt gewesen sein.
Klimaschutz
Sicher, in vielerlei Hinsicht ist Bosch Vorreiter. Bereits seit vergangenem Jahr produziert der Konzern in seinen Werken klimaneutral, bis 2030 soll der CO2-Fußabdruck um 15 Prozent reduziert werden. Ziele, die der neue Chef hartnäckig verfolgen muss.
Schadenbegrenzung bei Lieferengpässen
Brüchige Lieferketten, fehlende Halbleiter, Engpässe bei Rohstoffen wie Stahl sorgen für große Probleme in der Autoindustrie, aber auch in anderen Branchen. Immer wieder müssen die Bänder in den Fabriken angehalten werden. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Bosch muss mit einem Krisenmanagement nicht nur sicherstellen, dass die eigene Versorgung mit Chips und anderen Bauteilen ohne allzu große Lücken läuft. Als Systemintegrator von Bauteilen und Komponenten muss Bosch zugleich seinen Ruf als zuverlässiger Lieferant der Autobauer verteidigen. Ausfälle schaden dem Image. Schadenbegrenzung wird ein wichtiges Thema sein.
Kein Selbstläufer
In vielen Produkten steckt Bosch-Technologie – im Auto, im Handy, im Akkuschrauber, in der Heizung, in der Waschmaschine oder im E-Bike. Eine breite Aufstellung ist von Vorteil, aber kein Selbstläufer. Mag der künftige Bosch-Chef Stefan Hartung auch kein Schwabe sein, schwäbische Vorsicht sollte er sich aber auf die Fahnen schreiben. Immerhin zieht das Industriegeschäft derzeit an. Zudem haben viele Verbraucher während der Pandemie Hausgeräte und E-Bikes gekauft. Das sorgt schon mal für Rückenwind für den künftigen Chef.
Tempo bei der Digitalisierung
Boschs Stärken liegen zweifellos bei Software und digitaler Vernetzung. Wie hatte es Denner doch bei der letzten Bilanzpressekonferenz formuliert? „Die Vernetzung der Dinge führt zu Wissen über die Verwendung der Dinge. Damit können wir unsere Produkte immer weiter verbessern, auf dem neuesten Stand halten und unseren Kunden einen größeren Nutzen bieten.“ Der Absatz vernetzbarer Geräte für den Wohnbereich wie etwa Hausgeräte, Elektrowerkzeuge oder Heizungen soll sich in diesem Jahr von vier auf rund acht Millionen verdoppeln. Mit Produkten, die Künstliche Intelligenz (KI) nutzen, werde man in den nächsten Jahren einen Milliardenumsatz erreichen, so Denner. Die Marschrichtung scheint klar. Jetzt geht es ums Tempo. Dass Bosch Tempo kann, hat sich in der Pandemie ganz besonders bei einem Produkt gezeigt. Der Bosch-Corona-Schnelltest liefert das Ergebnis bei positiven Proben in weniger als 30 Minuten.