Der Sinneswandel des Großaktionärs OEW ermöglicht den Chefwechsel bei der EnBW. Land und Landkreise wollen jetzt an einem Strang ziehen.  

Stuttgart - Mittags um zwölf durfte der Ministerpräsident noch nichts sagen. Ob diese Woche Personalentscheidungen bei der EnBW fielen, etwa anlässlich der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag? Solche Themen, wand sich Winfried Kretschmann bei der Regierungspressekonferenz auf die Frage der StZ, könne er "nicht öffentlich verhandeln". Klar sei aber, dass etwas geschehe, wenn das Aufsichtsgremium zusammentrete.

 

Um 13.35 Uhr lief die Nachricht dann über die Ticker. Der Vorstandsvorsitzende Hans-Peter Villis, meldete die Deutsche Presseagentur, müsse seinen Chefsessel bei dem Karlsruher Energiekonzern räumen. Bis zur Aufsichtsratssitzung werde er erklären, dass er für eine Vertragsverlängerung über September 2012 hinaus nicht zur Verfügung stehe.

Um 14.40 Uhr war es schließlich so weit. Da bestätigte die EnBW per Pressemitteilung, dass es genau so komme. Villis habe den Aufsichtsratsvorsitzenden Claus Dieter Hoffmann unterrichtet, dass er keine Wiederbestellung wolle. Begründung: "Aus seiner Sicht kann er nicht mehr vom ungeteilten Vertrauen des Aufsichtsrats ausgehen." Hoffmann äußerte Verständnis und Respekt für die Entscheidung, für Villis' Arbeit in den vergangenen vier Jahren fand er lobende Worte: Er habe wichtige Projekte auf den Weg gebracht, die Führungsstruktur des Konzerns verbessert und "durch seine Persönlichkeit" das Vertrauen von Mitarbeitern und Geschäftspartnern erworben. Das war es.

Überraschend kam der Abgang nicht mehr. Nicht ob Villis gehen müsste, war für Kenner der Verhältnisse zuletzt offen, sondern nur noch wann und wie. Mit seiner Verzichtserklärung durfte er sich nun immerhin einigermaßen gesichtswahrend verabschieden. Inwieweit ihm selbst klar war, dass er dem Kampf verlieren würde, ist schwer zu beurteilen. Bis zuletzt äußerte er sich unverdrossen hoffnungsvoll, die EnBW weiterhin führen zu dürfen. "Ich bin der festen Überzeugung, dass ich hier bleibe", verkündete er noch im November.

Überraschend kam der Abgang nicht mehr

Vielleicht war das Zweckoptimismus, vielleicht verkannte Villis aber auch seine Lage und die Stärke seiner Unterstützer. Dass die grün-rote Landesregierung ihn ablösen wollte, kann ihm kaum verborgen geblieben sein. Zu deutlich waren die Signale von führenden Vertretern der Koalition - das reichte fast bis zur öffentlichen Demontage. Eine feste Bank schien für ihn dagegen der zweite Großaktionär, die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW). Noch vor kurzem hatte der OEW-Vorsitzende, der Ravensburger Landrat Kurt Widmaier (CDU), Villis öffentlich das Vertrauen ausgesprochen. Und im Gegensatz zum Land wollten die Landräte auch seine Rufe nach zusätzlichem Kapital erhören. Dass auch die Arbeitnehmerseite offenkundig zu ihm stand, schien den EnBW-Chef zusätzlich zu stabilisieren.

Doch die geschlossene Front der OEW hatte in den letzten Wochen Risse bekommen - erst nur feine, dann immer breitere. Zumindest bei den klügeren Kreischefs wuchsen die Zweifel. Zweifel vor allem, ob man sich wirklich auf Dauer gegen die Landesregierung stellen könne, zunehmende Zweifel aber auch, ob Villis der Richtige für den notwendigen Neuanfang sei. Anfangs sah es so aus, als wollten die überwiegend schwarzen Landräte auf dem "Schlachtfeld" EnBW eine Revanche für den Machtwechsel im Land. Inzwischen haben sie wohl erkannt, dass eine solche Konfrontation nicht im Sinne des Unternehmens sein kann. Was letztlich den Ausschlag gegen Villis gab, ist schwer zu sagen - auch die Probleme bei der Beteiligung am niedersächsischen Regionalversorger EWE dürften eine Rolle gespielt haben.

Der OEW-Chef Widmaier, ein harmoniebedürftiger Gemütsmensch, wirkte zudem zusehends zermürbt von den Spannungen - mit der Landesregierung, aber auch intern. Wegen einer länger geplanten, dann aber vorgezogenen Operation hat er den Verbandsvorsitz derzeit kommissarisch an seinen Stellvertreter, den Ulmer Landrat Heinz Seiffert, abgegeben. Offiziell soll "Black Jack" - so sein Spitzname - wiederkommen, doch auch ein dauerhafter Rückzug erscheint nicht ausgeschlossen. Seiffert wäre dann wohl der Nachfolger.

Eine rundum überzeugende Lösung

Land und OEW ziehen bei der EnBW nun an einem Strang - das ist für den Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) die Hauptbotschaft des Tages. Genauso einmütig, wie man die schwierige Personalfrage gelöst habe, werde man nun die künftige Strategie anpacken. "Wir sind da sehr geschlossen unterwegs", betont Schmid. Der Vizepremier lobt auch die "gute Zusammenarbeit" mit dem Chefaufseher Hoffmann, den mancher in der Koalition ebenfalls gerne abgelöst hätte. Doch nach dem Verzicht auf Villis will man den Oberschwaben nicht auch noch ihren Chefkontrolleur nehmen - trotz aller Irritationen über dessen Doppelrolle als Aufseher und OEW-Berater. Hoffmann selbst muss es schwer getroffen haben, dass seine ebenfalls doppelten Bezüge von insgesamt 340.000 Euro detailliert publik wurden.

Ihm kommt nun eine Schlüsselrolle zu, wenn Land und OEW gemeinsam auf die Suche nach einem Nachfolger für Villis gehen. Offiziell hat es bisher keinerlei Erkundungen gegeben, inoffiziell wurden natürlich sehr wohl die Augen offen gehalten. Alle bisher genannten Namen, verlautet aus Unternehmenskreisen, seien jedoch pure Spekulation - ob nun der Chef der Thüga-Gruppe, Ewald Woste, genannt wurde, oder ein Ressortvorstand aus einem der beiden Branchenriesen. Jetzt werde ein geordnetes Suchverfahren gestartet, das durchaus einige Monate in Anspruch nehmen könne. Am Ende, da sind sich alle Beteiligten einig, müsse eine rundum überzeugende Lösung stehen.

"Wir haben nur einen Schuss frei", hatte Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) im Blick auf die EnBW insgesamt gesagt - und das gilt auch für den neuen Vorstandschef. Dessen Erfolg oder Misserfolg ist nun aufs engste mit der Koalition verknüpft, die Villis partout loswerden wollte. Ihn einstweilen im Amt zu belassen, hatte es zuletzt geheißen, könne auch die Regierung entlasten; wenn es nicht gut liefe, hätte sie Villis immer noch verabschieden können. Doch nun hat man sich für den klaren Schnitt entschieden.

"Zügig, aber sorgfältig" - so die Devise - soll nun die Personalie geklärt werden. Besondere Eile besteht aus zweierlei Gründen nicht. Zum einen ist die Planung bis 2014 bereits beschlossene Sache. Zum anderen will Villis seine Aufgaben als Vorstandsvorsitzender "ungeachtet der Ankündigung" weiterhin wahrnehmen - ein Vorteil für ihn auch bei der Jobsuche: Aus einer Position heraus findet sich eher etwas Neues, als wenn man schon draußen ist.

Geprägt vom Ruhrgebiet

KarriereHans-Peter Villis hat nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften seine gesamte berufliche Laufbahn in der Energiewirtschaft zugebracht. 1987 übernahm er seine erste leitende Aufgabe bei der Ruhrkohle; es folgten viele Stationen im Eon-Konzern. So war er Finanzchef und stellvertretender Vorstandschef von Eon Nordic in Schweden, als die Energieversorgung Baden-Württemberg (EnBW) einen Nachfolger für Utz Claassen suchte. Seit dem 1. Oktober 2007 war Villis Chef der EnBW.

Herkunft Der 53-jährige Manager stammt aus Castrop-Rauxel. Villis ist Sohn eines Bergarbeiters und hat stets betont, wie sehr ihn das Ruhrgebiet und die Menschen dort geprägt haben. So hat der Fußballfan im Rennen um die Claassen-Nachfolge punkten können. Villis hatte sich als bodenständiger Manager und damit als Gegenentwurf zu seinem kapriziösen Vorgänger präsentiert.